Augenwischerei beim Klima

Unter den Blinden ist der Einäugige König. International ist das Bild vom Klimaschützer Deutschland noch weitgehend intakt. Aber gerechtfertigt ist es nur, wenn man beide Augen feste zudrückt. Wer stattdessen genauer hinschaut, sieht eine große Koalition der Zauderer.

Augenwischerei beim Klima
Foto: Sergej Lepke

Es ist geradezu grotesk, dass der Bundestagswahlkampf in eine Phase fällt, in der man allabendlich die Fernsehbilder der weltweiten Wetterextreme ertragen muss, im TV-Duell der Bundeskanzlerin und ihres Herausforderers aber nicht ein einziges Mal das Wort Klimaschutz hört. Die beiden schweigen verschämt, weil schon lange absehbar ist, dass die Klimaziele der gemeinsamen Regierung auf peinliche Weise verfehlt werden. Das nennt man Augenwischerei.

Die deutschen Pro-Kopf-Emissionen beim CO2 liegen fast doppelt so hoch wie der internationale Durchschnitt. Deutschland stellt ein Prozent der Weltbevölkerung, verantwortet aber fast fünf Prozent der globalen Erderwärmung. Dass die bisherigen EU-Zusagen bei Weitem nicht ausreichen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, macht die Sache nicht besser, sondern nur alle Warnungen vor „nationalen Alleingängen“ gänzlich überflüssig.

Deutschland will im Vergleich zu 1990 seinen CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent und bis 2030 um 55 Prozent gesenkt haben. Erreicht wurden bis 2015 gerade mal 27,9 Prozent. Nach der Bundestagswahl müsse noch einmal „kräftig nachgesteuert werden“, raunt das Bundesumweltministerium. Wohl wahr.

Dazu gehört ein klares Bekenntnis zum Ausstieg aus der Braunkohle. Die Energiewirtschaft trägt derzeit noch mit Abstand den größten Anteil an den deutschen Emissionen. Und der CO2-Ausstoß im Verkehr lag 2016 um zwei Millionen Tonnen höher (!) als 1990. Das verwundert angesichts der Zuwachsraten beim Pkw- und Lkw-Verkehr kaum. Wundern muss man sich dagegen über die bräsige Trägheit der deutschen Klimaschutzpolitik.

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