Aufklärung mit reinigender Wirkung

Die Zwischenbilanz der britischen Untersuchungskommission zum Irak-Krieg ist eine Mischung aus kuriosen, aber längst bekannten Fakten: Es gab keine Massenvernichtungswaffen, es gab keine Nachkriegspläne für den Irak, und Tony Blair hat George W. Bush dennoch seine volle Unterstützung versprochen - komme, was wolle.

Er hat rechtliche Bedenken beiseite gewischt und das Bedrohungspotenzial des Irak hysterisch überzeichnet.

Die Fragen, die noch offen sind, werden offen bleiben. War der Irak-Krieg illegal? Warum muss sich niemand vor Gericht für diese Entscheidung verantworten? Tatsächlich agierten Blair und Bush in einer Grauzone. Internationale Gesetze, mit denen man beide wegen der Invasion belangen könnte, gibt es nicht.

"Kriegsverbrecher werden für Taten im Krieg verurteilt", kommentierte ein Rechtsexperte die Causa Blair lakonisch, "aber einen internationalen Haftbefehl für die Tat der Kriegserklärung gibt es nicht." Auch die, die sich eine Antwort auf das Rätsel erhofft hatten, warum ein so angesehener Labour-Politiker wie Blair eine enge Allianz mit US-Neokonservativen eingeht, werden enttäuscht. Was soll das ganze Schauspiel dann?

Allem öffentlichen Frust zum Trotz erfüllt die Kommission eine wichtige, reinigende Rolle. Jede Befragung wird live übertragen, und jeder Bürger kann mitverfolgen, wie sich die Verantwortlichen rechtfertigen - und oft auch: wie sie sich winden. Dass Blair und seine Mitarbeiter Rechenschaft ablegen müssen, hilft den Briten, eine Entscheidung zu verarbeiten, die die Nation zutiefst polarisiert.

Die erbarmungslosen Fragestunden bauen auch die minimale Glaubwürdigkeit in das Amt des Premierministers neu auf. Dass Verwirrungs- und Täuschungsmanöver in existenziellen Dingen und in einem so wichtigen Amt nicht einfach vergessen werden, ist ein wichtiges Signal. Nicht nur für Großbritannien.

Dennoch haben Kritiker Recht, wenn sie sich über Blairs fehlende Scham empören. Nie ist so deutlich geworden wie gestern, dass der Ex-Premier bei seiner Entscheidung keine Ahnung von der Sachlage oder den Konsequenzen eines solchen Krieges hatte. Dies wird - auch wenn der Report erst nach der nächsten Wahl veröffentlicht wird - Labour viele Stimmen kosten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort