Auch lebenslänglich ist vergänglich

Der schwierige Umgang mit den Gladbecker Geiselgangstern

Düsseldorf. Wenn Menschen, die vor 25 Jahren quälende Stunden in den Händen der Gladbecker Geiselgangster erlebten, sich gegen eine Haftentlassung der Täter aussprechen — wer wollte es ihnen verdenken?

Wenn Angehörige der Ermordeten die Täter für immer hinter Gittern wissen wollen — wer hätte dafür kein Verständnis? Doch hat die Gesellschaft das Recht, so zu verfahren?

Hat sie nicht, urteilte das Bundesverfassungsgericht schon 1977. Es widerspreche der Menschenwürde, wenn einem Verurteilten keine Chance verbleibe, irgendwann seine Freiheit wieder zu erlangen. Zwar steht die lebenslange Freiheitsstrafe weiterhin im Strafgesetz — vor allem als Strafandrohung bei Mord.

Doch seit mehr als 30 Jahren gilt: Sogar lebenslänglich ist vergänglich. Es wird überprüft, ob nach mindestens 15 Jahren Strafverbüßung und entsprechender Prognose über einen Wegfall der Gefährlichkeit des Täters die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Im Bundesdurchschnitt ist das nach 20 Jahren der Fall.

Der Gladbecker Geiselnehmer Degowski liegt mit seinen 22 Jahren Haft schon über diesem Durchschnitt. Dass er dennoch vorerst weiter einsitzen wird, hat etwas mit der enormen Aufmerksamkeit zu tun, die das Geschehen damals auf sich zog. Das Verbrechen spielte sich tagelang unter den Augen der Öffentlichkeit ab, das Tatgeschehen der wohl spektakulärsten Geiselnahme in der Geschichte des Landes ist daher noch fest im kollektiven Gedächtnis.

Ebenso wie die Fehlleistungen, die es auf polizeilicher Seite und bei den Medien gab, die den Tätern auch noch ein Forum boten. All das macht es so schwierig, die Maßstäbe anzusetzen, die auch in anderen Fällen gelten. Andere Morde und damit auch die Täter geraten in Vergessenheit, werden irgendwann geräuschlos entlassen. Hinzu kommt, dass Gutachter und Strafvollstreckungskammer bei einem solch spektakulären Fall kein Risiko eingehen wollen.

Alles verständlich. Und doch rechtfertigt dies kein Sonderrecht. Im Gesetz steht nichts davon, dass ein mordender Geiselgangster anders behandelt wird als andere Mörder. Bei entsprechender Vorbereitung kann auch ihm ein Resozialisierungsversuch nicht versagt werden.

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