„50plus“ — ein zu weit gefasster Begriff

Die Wirtschaft muss präziser erklären, für wen sie produziert

Lange schien es so, als wolle sich unsere Gesellschaft einfach nicht damit abfinden, dass sie altert. Die Älteren in Deutschland werden nicht erst seit gestern immer mehr — und dennoch regierte in TV und Werbung der „Jugendwahn“. Paradox: Als „werberelevant“ galten bis vor kurzem noch die 14- bis 49-Jährigen. Schon die 50-Jährigen spielten bei Analysen von Einschaltquoten keine größere Rolle mehr.

Zum Glück ist in diesem Bereich einiges in Bewegung geraten. IP Deutschland zum Beispiel, eine Vermarktungsgesellschaft, die den Werbezeitenverkauf für TV-Sender betreut, weist seit zwei Jahren eine zweite Zielgruppe aus: die 20- bis 59-Jährigen. Und auch die wachsende Kundschaft jenseits der 59 wird für Firmen und Werbetreibende zunehmend interessant.

Das ist eine gute Entwicklung. Denn Kunden über 50 können damit rechnen, dass immer mehr Produkte auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten werden. Dass diese allerdings jenseits der 50 höchst unterschiedlich ausfallen können, versteht sich von selbst: Der sportliche 55-Jährige hat andere Bedürfnisse als der 85-Jährige, der vielleicht eine Gehhilfe oder einen Einkaufsservice benötigt. Und Tablet-PC oder E-Books, die Menschen in den Fünfzigern keine Probleme bereiten, würden vielleicht auch bei 90-Jährigen Interesse wecken, wenn sie altersgerecht zu bedienen wären.

Viele Unternehmen haben gerade erst begonnen, die älteren Menschen als Kunden zu entdecken. Und sie werden präziser erklären müssen, für wen ihre Produkte eigentlich gedacht sind. „50plus“ ist ein zu weit gefasster Begriff.

Und noch eine Entwicklung beschäftigt Fachleute: Derzeit sind die über 50-Jährigen in der Regel kaufkräftig und konsumfreudig — also interessant für die Wirtschaft. Was aber passiert in 15, 20 oder 25 Jahren, wenn die staatliche Rente kleiner ausfällt, und ein Teil der Bevölkerung — zum Beispiel Geringverdiener — kaum die Möglichkeit hatte, privat vorzusorgen? Würde zunehmende Altersarmut dann dazu führen, dass Rentner trotz ihrer wachsenden Zahl uninteressanter würden für die Wirtschaft? Zwangsläufig wäre diese Entwicklung nicht, denn auch Kunden günstiger Produkte sind begehrt. Und ein neuer „Jugendwahn“ würde dann noch seltsamer wirken.

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