Weihnachtsbräuche: Darum sind Traditionen so wichtig

Weihnachtsbräuche sind immer ein Spiegel der Zeit. Sie reflektieren gesellschaftliche Entwicklungen und Spannungen.

Weihnachtsbräuche: Darum sind Traditionen so wichtig
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Düsseldorf. Der eine freut sich darauf, der andere hasst es — Weihnachten lässt niemanden kalt. Immerhin ist es eines der wichtigsten christlichen Feste, heiß diskutiert, modernisiert und voller Traditionen. Symbol für unsere Werte — und deren Verfall. „Weihnachten ist ein wichtiger Brauch, in dem sich alles spiegelt, was unsere Gesellschaft ausmacht“, sagt Dagmar Hänel. Die Kulturanthropologin (45) leitet die Volkskunde-Abteilung im Institut für Landeskunde des Landschaftsverbands Rheinland und weiß um die Nützlichkeit der Bräuche. Sie seien wie Koffer auf dem Dachboden, aus denen man sich bediene, je nachdem, was man gerade benötige.

Weihnachtsbräuche: Darum sind Traditionen so wichtig
Foto: VINCENZO PINTO

Annäherung über die Definition: Weihnachten erinnert an das Ereignis der Geburt Jesu. An dieser Kernbotschaft des Festes docken gesellschaftliche Werte an: Gemeinschaft, Kinder, Familie. „Ohne diesen Kern funktioniert das Fest nicht“, erzählt Hänel. Zugleich sei Weihnachten das am stärksten säkularisierte Fest, das in den mehr als 2000 Jahren seiner Existenz immer andere Formen angenommen habe: Im 18. Jahrhundert etwa feierte die Dorfgemeinschaft gemeinsam, mit Kirchgang und Essen. Im 19. und 20. Jahrhundert schwächte sich der christliche Gedanke ab. Ersatz boten Maria, Josef und das Jesuskind in der Krippe, die Bedeutung der Familie wuchs. Die heute bekannte Festprägung bildete sich heraus.

Der älteste Weihnachtsbrauch — neben dem gemeinsamen Feiern — sind die Geschenke. Allerdings waren die am Anfang nur klein. Mit ihrem Bedeutungszuwachs rückten die Kinder ins Zentrum des Festes. Nicht ohne pädagogischen Anspruch: Das Bürgertum des 19. Jahrhundert verknüpfte die Geschenke mit den Geschlechterrollen: die Puppe fürs Mädchen und den Zinnsoldaten für den Jungen. Noch im 20. Jahrhundert war es üblich, Geschenke an Heilige Drei Könige (6. Januar) wieder für das nächste Weihnachten einzupacken.

Und wie schenken wir heute? „Mit den Geschenken sollen Emotionen vermittelt werden, Wertschätzung. Unsere Gesellschaft tut sich schwer, Zuneigung öffentlich zu zeigen. Geschenke dienen da als Medium.“ Der Geschenke-Konsum-Rausch ist damit wohl nicht gedeckt. Er wurde durch den Wohlstand nach den Weltkriegen möglich.

Dass Weihnachten im Dezember gefeiert wird, hat nichts mit Christi Geburtsdatum zu tun, „da wir keine Ahnung haben, an welchem Tag der historische Jesus geboren wurde“. Vielmehr orientierte sich das Leben der Menschen im frühen Christentum eng am Jahresablauf. Die Sonnenwenden waren wichtig: „Die Winterzeit war existenziell bedrohlich. Wenn die Tage länger wurden, war das von großer Bedeutung.“ Die Menschen atmeten auf: Das Göttliche hatte sie nicht verlassen. Papst Liberius legte im Jahr 354 den 25. Dezember als Termin fest. Und weil das Fest so wichtig ist, beginnt es am (Heilig-)Abend vorher

Weihnachten reflektiert die gesellschaftliche Entwicklung und deren Spannungen. Auf der einen Seite die Globalisierung, „alles geht, überall“, weckt zugleich die Sehnsucht nach Eigenem, den Drang zur Regionalisierung, zur Heimat. „Das sind zwei Seiten einer Medaille“, weiß Hänel: Der Nikolaus wird — je nach Region — mal vom Hans Muff, mal vom Knecht Ruprecht, mal vom Klas Bur oder mal vom Zwarten Piet begleitet. Und auch dass Weihnachten einerseits besinnlich, andererseits laut gefeiert werde, irritiert Hänel nicht: „Mit Lichterschmuck zeigen wir, dass wir feiern, dazugehören, dass das unsere Kultur ist.“

Ganz abgesehen davon, dass wir auf diese Weise ein allgemein weit verbreitetes Dekorationsbedürfnis befriedigen. Und wenn die Lichterketten und Christbaumkugeln abgeräumt und im Koffer auf dem Dachboden verstaut sind, können wir schon bald unser Heim erneut schmücken: Der Karneval naht mit seiner eigenen Deko.

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