Von Herbert zu Grönemeyer in 60 Jahren

Herbert Grönemeyer wird am Dienstag 60 Jahre alt. Seine Eigenarten entscheiden über die Zuneigung des Publikums. Lieben oder ablehnen - dazwischen liegt nicht sonderlich viel.

Grönemeyer bei einem Auftritt im Olympiastadion.

Grönemeyer bei einem Auftritt im Olympiastadion.

Foto: Britta Pedersen

Düsseldorf. „Wenn ich besonders glücklich bin“, sagt Herbert, Arthur Wiglev Clamor Grönemeyer, der lieber beim zweiten denn beim ersten Vornamen gerufen werden würde, weil Arthur so kantig klingt und Herbert eben dann doch nur wie Herbert, „dann quatsche ich besonders viel. Das nervt dann auf Dauer ein bisschen, aber ich halte mich selber dann für extrem lustig.“

Muss irgendwie ein gutes Gefühl sein, denkt man, so ein bisschen Albernheit mit sich selbst und mit fast 60. Grönemeyer hat die 60 tatsächlich erreicht, und wenn man so darüber nachdenkt, wie lange der rotblonde Mann mit inzwischen nachlassender Haarfülle aus dem Ruhrpott das eigene Leben immer wieder mal mit wechselnder Amplitude tangiert, muss man sagen: Ja, sieht nicht aus wie 60, kommt aber ganz gut hin, da hat sich schon Einiges angesammelt über die Jahrzehnte. Immerhin hat er schon in Bochum, Berlin, München, London, auch 1982 ein halbes Jahr für die deutsch-deutsche Koproduktion „Frühlingssinfonie“ in der DDR gelebt. Und jetzt dann doch wieder meistens in Berlin. Berlin ist Grönemeyer Heimat geworden, weil sie ihn hier trotz seines Ruhms in Ruhe lassen. „Das Geheimnis ist, dass ich mich einfach nicht verkleide“, hat Grönemeyer einmal gesagt. Den Berliner juckt das nicht, er nimmt Anlauf und ignoriert die Stars seiner Stadt dann mit Verve. Auch eine Art, willkommen zu heißen. „Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl“ hat er in „Heimat“ gesungen. Und meint das angesichts seiner ständig neuen Lebensräume auch so.

Vielleicht ist Heimat aber immer wieder auch sein Thema, weil es ihn einst groß gemacht hat. Eine Hymne hat Grönemeyer vor fast 32 Jahren der „tief im Westen vor Arbeit ganz grauen“ Stadt Bochum geschenkt - obwohl er als Sohn eines Ingenieurs und einer Krankenschwester in Göttingen geboren wurde - und auch erst 2006 Mitglied beim VfL Bochum wurde, wo die Hymne noch heute vor jedem Zweitliga-Spiel das Stadion durchdringt. Das 1984 erschienene und rund 1,5 Millionen Mal verkaufte Album „4630 Bochum“ markierte den Durchbruch Grönemeyers, der vorher ein bisschen experimentiert und rumgedudelt hatte mit Werken, die angesichts dessen, was in den Jahrzehnten danach kam, sowohl textlich als auch in Sachen Arrangement vorzeitlich wirken. Wer begreifen will, was der Barde an Entwicklung seit 1979 hinter sich hat, der besorge sich das seinerzeit erfolglose Debütalbum „Grönemeyer“, das erst zehn Jahre später und nach wachsendem Erfolg neu aufgelegt wurde. Nur ein Song des 34:05-Minuten-Werks stammte seinerzeit aus Grönemeyers eigener Feder, was später in steter Zusammenarbeit mit seinem Co-Produzenten Alex Silva ein Erfolgsmerkmal seiner Künste werden sollte.

Peter Zadek hatte den jungen Grönemeyer nach dem Gymnasium als musikalischen Leiter an das Bochumer Schauspielhaus geholt. Es ging bergauf, auch als Schauspieler verdingte er sich und feierte als Ensemble-Mitglied in Petersens vom Erfolg gekrönten U-Boot-Drama „Das Boot“ als etwas verhuschter Leutnant Werner seinen Durchbruch. Verhuscht — wie die Rolle, so nuschelte sich der aufstrebende Künstler auch durch seine musikalischen Texte. Silben zu verschlucken wurde zum Stilmittel, die wechselnde Dynamik, hin und wieder krächzende Schreie. Er tanzte dazu so untalentiert, dass man heutzutage an einen vom Management getriebenen Markenaufbau glauben müsste. Es war anders, aber von seinen Eigenarten hat er immer gut gelebt - und pflegt sie auch heute noch, wenn auch nicht mehr derart exzessiv. An ihnen entscheidet sich, ob man ihn liebt oder ihn ablehnt. Dazwischen liegt bis heute nicht sonderlich viel. Als 1998 - im Jahr des Erscheinens seiner vielleicht besten Platte „Bleibt alles anders“, auf der er sich musikalisch und orchestral neu erfunden hatte - sein älterer Bruder Wilhelm, ein Galerist, und die Frau des Sängers, Anna Henkel-Grönemeyer starben, lag Grönemeyers Leben eine Zeit lang still. Bis er emporstieg und die Trauer um seine Ehefrau in seinem Album „Mensch“ verarbeitete. Die CD brach in einer Kulisse der Empathie und bei tatsächlicher Qualität mit 3,7 Millionen Exemplaren alle Verkaufsrekorde und wurde 2003 mit dem „World Music Award“ ausgezeichnet.

Textlich auf neuem Niveau, immer einfühlsam, mitunter philosophisch — diese Ebene verließ er danach nicht mehr. Dabei hat Grönemeyer manchen um ihn entstandenen Mythos in den vergangenen Jahren geraubt, als er von der Entstehung seiner Textkunst als einen reinen Arbeitsprozess mit schönen Worten berichtete. Und als er jenen eine Absage erteilte, die ihn angesichts seiner Texte als besonders einfühlsam vermuteten: „Da irrt man sich gewaltig“, sagte Grönemeyer. „Das ist die Tücke. Ich wurde mal in Österreich von drei Journalistinnen gefragt, wie es so sei als Frauenversteher? Das frage ich mich auch.“

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