Universität Viele Studenten müssen erst noch lernen lernen

Werner Heister lehrt an der Hochschule Niederrhein das erfolgreiche Studieren. Der Zukunftstrend beim Lernen heißt Digitalisierung.

Universität: Viele Studenten müssen erst noch lernen lernen
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Mönchengladbach. Die schlechte Nachricht lautet: Studierende tun sich oft schwer mit dem Lernen, weil es ihnen in der Schule nicht vermittelt wurde. Die gute Nachricht lautet: Ihnen kann geholfen werden. Universitäten wetteifern darum, ihnen mit Lernprogrammen unter die Arme zu greifen. An der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach kümmert sich Werner Heister um das erfolgreiche Studieren.

Eigentlich wollte der Professor für Betriebswirtschaft ein BWL-Buch schreiben, bemerkte aber schnell, dass er zuvor erklären musste, wie man lernt, an den Inhalt dafür zu kommen. Mittlerweile hat er acht Bücher übers Lernen lernen geschrieben — aus Spaß und aus Notwendigkeit.

Die Schule versagt vermutlich an dieser Stelle, weil sie das Thema nicht in den Stundenplan integriert und weil viele Lehrer nicht in der Thematik drin sind. Heisters Wahrnehmung: „Die Studenten sind weniger selbstständig und das Studium ist insgesamt verschulter.“ Mehr leisten müssten die jungen Leute dagegen gegenüber früher nicht.

Die Unis bieten Einführungswochen, Patenschaften und besondere Lernangebote. So hat die Freiburger Uni das Onlinetraining „Elis“ (Erfolgreich lernen im Studium) entwickelt oder bietet wie die Berliner Universität ein Einführungs- und Orientierungsstudium an.

Bei Professor Heister erhalten Studierende mit Problemen eine Studienverlaufsberatung und lernen mit dem so genannten „On-Demand“-Programm Methoden, um ihre Lernkompetenzen zu entwickeln. Außerdem hat der 56-Jährige eine Facebook-Gruppe mit mittlerweile 3000 Mitgliedern eingerichtet. Eine Hotline für Fragen rund um „Wissenschaftliches Arbeiten“. Als er selbst studierte, steckte die Arbeit mit dem Computer noch in den Kinderschuhen: „Ich lernte mit Block und Stift, vielen dicken Büchern und viel Präsenz“, erinnert sich der Lernexperte. Heute wird digital oder zumindest analog und digital gelernt. Heister: „’Blended Learning’ verbindet die Vorteile von E-Learning als auch die Vorteile von Präsenzlernen.“ Beispiel: Im Flipped Classroom werden die Inhalte zum Beispiel als Videos angeboten, die sich der Student vor der eigentlichen Präsenzveranstaltung ansieht. Dort wird der Stoff dann angewendet, heißt in die Praxis eingeordnet, geübt, angewendet, diskutiert. Wie viel digital oder analog ein Student lernt, bleibt natürlich ihm überlassen. Wichtig sei, dass es Spaß macht, so Heister: Bereits Comenius, der Verfasser der Didactica Magna (1650), habe erkannt: „Alles, was beim Lernen Freude macht, unterstützt das Gedächtnis.“

Der 56-jährige Heister hat eine veränderte Einstellung bei der Wissenselite ausgemacht: Während früher das Studium grundsätzlich dem Wissenserwerb gedient habe und entsprechend geplant wurde, werde es heute vor allem als Voraussetzung für den Beruf gesehen. Mit zweierlei Folgen: So werde es als Teilzeitbeschäftigung um einen Job herumgebaut, mit dem es finanziert wird. Und: Die Stoffvermittlung wird einseitig unter dem Aspekt der Verwertbarkeit betrachtet. Wenn dann, wie vor allem in den Mint-(Mathe, Informatik, Naturwissenschaft, Technik)Fächern der Fall, auch noch über Formeln gelehrt wird, können die Studenten nichts damit anfangen, sie geben auf. Heister erklärt: „Die Abbrecherquote ist insbesondere an den Fachhochschulen gestiegen und hier insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern.“ Seine Forderung: Inhalte müssen praxisnah vermittelt werden. Das duale Studium sei hier eine richtige Variante.

Praktische Lerntipps hat Heister natürlich auch: Sie reichen von der Lernkartei, in klassischer und elektronischer Variante, über den Wissensstoff, der über Bildschirm, Kopfhörer oder ein Lernposter aufgenommen wird, während man anderweitig beschäftigt ist, bis hin zu Rätseln oder Lückentexten und dem Erlernen wichtiger oder schwieriger Inhalte vor dem Schlafengehen, da sie dann besonders gut haften bleiben. Der bessere Lernort ist seiner Ansicht nach zuhause und nicht an der Uni — wenn man auf Pausen achtet, Sport macht, sich gut ernährt, das Trinken nicht vergisst und sich nicht ablenken lässt.

Der Zukunftstrend heißt Digitalisierung. „Video- und Podcast, Online-Lerngruppen mittels Skype, ja sogar elektronische Prüfungen zählen dazu“, sagt der Professor, der auch selbst immer mehr digitale Medien zum Lernen nutzt.

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