Suche nach Nazi-Raubkunst

Die Erben eines jüdischen Händlers fordern von der Kunstsammlung NRW zwei Gemälde.

Düsseldorf. Keine andere Frage ist für Museen so heikel wie die nach der Herkunft bestimmter Werke — denen, die jüdischen Besitzern „NS-verfolgungsbedingt entzogen wurden“, wie es in der Washingtoner Erklärung von 1998 heißt.

Theoretisch ist die Sache nach dieser Übereinkunft, die neben 43 anderen Staaten auch Deutschland unterzeichnet hat, klar: Bei der Nazi-Raubkunst geht es darum herauszufinden, wem ein Bild zwischen 1933 und 1945 gehört hat, ob es bei einem jüdischen Besitzer beschlagnahmt wurde, ob er mit einem Dumpingpreis abgespeist wurde, und ob er je Geld erhalten hat.

Noch mehrere 1000 Kunstwerke aus ursprünglich jüdischem Besitz werden weltweit in Museen vermutet. Doch es ist gar nicht so einfach, die genaue Zahl zu klären. Fotos, Kataloge und Listen von dem, was wann wo gehangen hat, belegen keineswegs, wem was tatsächlich gehörte.

Drei Jahre lang haben die Kunsthistorikerinnen Isgard Kracht und Gesa Jeuthe zu den Werken der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf geforscht. Bei 33 Werken konnten sie die Herkunft nicht lückenlos aufklären, unter anderen für Max Beckmanns Gemälde „Die Nacht“, für das ein Auskunftsersuchen vorliegt, sowie für Paul Klees Werk „Federpflanze“ und Juan Gris’ „Natur morte (Violon et encrier)“, für die schon vor Jahren Restitutionsersuchen der Flechtheim-Erben eingegangen sind.

„Transparenz ist uns wichtig“, sagt Marion Ackermann, Leiterin der Kunstsammlung. Der Fall Alfred Flechtheim aber gehört zu den kompliziertesten Fällen der Restitution: Der Düsseldorfer war einer der schillerndsten Galeristen der Weimarer Republik, agierte mit wechselndem wirtschaftlichen Erfolg, emigrierte wegen der Nazis nach London und starb dort verarmt 1937. Die Grenzen zwischen Privatbesitz und Galerieware waren bei ihm oft fließend.

Auch gehörten einige Werke nicht nur Flechtheim allein. So ist bei Beckmanns „Nacht“ laut Kunstsammlung unklar, wem das Bild eigentlich gehörte — Flechtheim, einem Galerie-Kompagnon oder einem Industriellen.

„Wir sind in der Sackgasse“, sagt Anette Kruszynski, Leiterin des Projekts und der Sammlung. „Wir könnten gar keine Entscheidung fällen, weil wir nicht wissen, zu wessen Gunsten.“ Oft sind Archive verschlossen, wie das Kahnweiler-Archiv in Paris, das eventuell Aufschluss über das Gris-Bild geben kann.

Der Flechtheim-Anwalt Markus Stötzel sieht nicht so viele Fragezeichen. Bei der Klee-Stiftung in der Schweiz etwa könne abgefragt werden, wem die „Federpflanze“ wann gehörte. Für Stötzel ist auch klar, dass es sich bei den Verkäufen der Bilder in London um Notverkäufe Flechtheims als Nazi-Verfolgter gehandelt habe.

Er verweist auf die Washingtoner Prinzipien, die „faire und gerechte Lösungen“ bei der Rückgabe von verfolgungsbedingt entzogenen Kunstgütern vorsehen: „Das beinhaltet im Zweifelsfall auch die Kompromissfähigkeit beider Seiten.“ Denn wäre es nicht auch denkbar, Kunstwerke als Akt moralischer Wiedergutmachung zurückzugeben?

Für diese Lösung haben sich im April das Kunstmuseum Bonn und die Flechtheim-Erben entschieden. Diese hatten 2009 ein Bild des rheinischen Expressionisten Paul Adolf Seehaus zurückgefordert. Man einigte sich darauf, dass das Bild in der Sammlung bleibt und die Erben die Hälfte des Marktwertes erhalten.

Marion Ackermann sieht diese Lösung für die fraglichen Werke der Kunstsammlung nicht: „Wir finden nicht, dass alle Schritte schon getan sind.“ Damit Zugänge in bisher verschlossene Archive möglich werden, hofft sie auf die Unterstützung der Politik. Ackermann: „Wenn wir gar nicht mehr weiterkommen, dann muss für uns als Landesmuseum eine Entscheidung durch die Ministerpräsidentin gefällt werden.“

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