Starb Jesus auch für Außerirdische?

Würden wir ein Signal empfangen, das auf eine intelligente Zivilisation im Universum hindeutet — was hieße das für unser Weltbild? Theologen denken darüber nach.

Starb Jesus auch für Außerirdische?
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Wuppertal. Wie würde es sich auf den Glauben, auf die Religion auswirken, wenn Astronomen den Beweis dafür fänden, dass es Außerirdische gibt? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Theologe Andreas Losch sozusagen hauptberuflich. Im Austausch mit Naturwissenschaftlern arbeitet der 43-Jährige am „Zentrum für Weltraumforschung und Bewohnbarkeit“ der Universität Bern (Info-Kasten) an eben diesem Thema. Und weil das auch hierzulande Theologen und gläubige Menschen interessiert, haben die Evangelische Akademie im Rheinland und die Kirchliche Hochschule Wuppertal/Bethel den Fachmann für Außerirdische eingeladen, um Interessierten die Folgen einmal erklären zu lassen.

Starb Jesus auch für Außerirdische?
Foto: Eva Hilger

Natürlich ist Losch nicht der erste, der sich mit dem Thema aus theologischer Perspektive befasst. Man denke an den Dominikanermönch Giordano Bruno, der von einer undenklichen Anzahl bewohnter Welten gesprochen hatte — die römische Inquisition verbrannte ihn daraufhin im Jahr 1600 auf dem Scheiterhaufen.

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Doch längst ist es auch bei Theologen nicht mehr verboten, über so ein Thema nachzudenken. Losch verweist zunächst mal auf das kopernikanische Prinzip, das Prinzip der Mittelmäßigkeit. Das heißt: Was hier auf Erden gilt, gilt auch sonst im Universum. Wenn die Erde bewohnt ist, warum dann nicht auch andere Planeten? Seitdem 1995 der erste Exoplanet, also ein Planet außerhalb unseres Sonnensystems, entdeckt wurde, hat die Nasa über 200 der Erde mehr oder weniger ähnliche Himmelskörper gefunden. Freilich ohne etwas über mögliches Leben auf diesen Planeten in Erfahrung gebracht zu haben — der viele Lichtjahre betragende Abstand ist einfach zu groß.

Doch liegt es nicht auf der Hand, dass es außerirdisches Leben gibt? Der amerikanische Astrophysiker Carl Sagan hat dazu und auch zu den Konsequenzen für das Weltbild der Menschen den großartigen Roman „Contact“ geschrieben. Darin lässt er seine Protagonistin Ellie Arroway beim staunenden Blick in den Sternenhimmel sagen: „Wenn wir die Einzigen sind, ist das eine ziemliche Platzverschwendung.“ In Sagans Geschichte ist die Menschheit tatsächlich nicht allein, Arroway reist später zu den Sternen.

Der griechische Philosoph Demokrit hat vor mehr als 2400 Jahren ganz ähnlich gedacht: „Ein riesiger Acker bringt auch nicht nur eine einzige Ähre hervor.“ Sollte Gott wirklich so viel Platz verschwenden — nur um des Lebens auf einem Planeten willen? Warum gibt es dann den ganzen Rest, die 100 Milliarden Sterne allein in unserer Milchstraße und die vielen Milliarden weiteren Galaxien? Ein überflüssig erscheinendes lebensfeindliches Universum mit seinen Abermilliarden Sternen und den um diese Sonnen kreisenden Planeten — allesamt Wüsten und unbewohnte Gesteinsbrocken. Warum soll Gott das alles erschaffen haben?

Das fragt sich auch Andreas Losch. Und versucht das Gedankenexperiment, was die Entdeckung außerirdischen Lebens für die Religion bedeuten würde. Dabei stemmt er sich gegen das, was Thomas Paine, einer der Gründerväter der USA, schon im 18. Jahrhundert gesagt hat. Dass nämlich die Erkenntnis, dass Gott eine Vielheit von Welten erschaffen hat, das christliche Glaubenssystem sofort klein und lächerlich erscheinen ließe — ein von Planet zu Planet springender Erlöser sei eine absurde Vorstellung.

Für Losch hingegen könnte die Entdeckung außerirdischen Lebens durchaus mit dem Glauben in Deckung gebracht werden. Er erläutert das an einigen Grundlagen der christlichen Glaubenslehre. So würde etwa der Begriff der Schöpfung, der ja besagt, dass Gott alles gemacht hat, für Losch nicht durch die Existenz Außerirdischer in Frage gestellt. „Wenn Gott alles gemacht hat, so gereicht es ihm doch zur Ehre, wenn er auch außerirdisches Leben gemacht hat.“ Seine Schöpfung müsse sich nicht auf unseren Planeten beschränken. Kniffeliger wird es da schon bei der Frage, ob Gott, wenn er den Menschen nach seinem Ebenbild schuf, auch gleichzeitig ganz andere Wesen — die sprichwörtlichen kleinen grünen Männchen — nach seinem Ebenbild gemacht hat. „Wir sind Sternenstaub. Jeder Staub kann von Gott zu seinem Ebenbild gemacht werden“, sagt Losch dazu.

Und wie ist es mit der Erlösung? Mit dem Glauben daran, dass Gott seinen einzigen Sohn auf die Erde geschickt hat und Jesus sein Leben opferte, damit die Menschen von ihren Sünden erlöst würden? Ist da nicht besondere Skepsis angebracht, die George Coyne, der frühere Direktor des Vatikanischen Observatoriums einmal so ausgedrückt hat: „Wie konnte Gott seinen einzigen Sohn, der wahrhaftig Mensch ist, auf andere Planeten senden? Kann ein Mensch auf vielen Planeten existieren?“

Auf die Frage, ob Christus, wenn er auf Erden für die Menschen gestorben ist, dann auch für außerirdische Wesen auf anderen Planeten gestorben ist, sagt Losch: „Vielleicht bedürfen die anderen gar nicht der Erlösung, weil sie keinen Adam und keine Erbsünde haben. Oder sie haben ihre eigene Erlösungsgeschichte.“ Vielleicht sei ja die Erde der einzige Problemfall im Universum, der eine Inkarnation nötig machte.

Losch lässt sich die christliche Perspektive nicht von der Aussicht auf außerirdisches Leben kaputt machen. Manch einer mag in diesem Fall zu einem gekränkten Selbstbewusstsein neigen. Eben wenn herauskäme, dass der Mensch eben nicht die Krone der Schöpfung, sondern nur noch eines von vielen denkenden Wesen im Universum wäre. Das solle man dann doch lieber positiv sehen, hält Losch entgegen: „Wir hätten Geschwister auf anderen Planeten.“

Das Weltall wäre keine Platzverschwendung und es gäbe nicht nur eine einzige Ähre auf dem riesigen Acker — würden Carl Sagan und Demokrit hinzufügen.

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