Mein Soundtrack für den Sommer Welche Songs sind die Sommerhits Ihres Lebens?

In jedem Jahr gibt es ein Lied, das den Sommer bestimmt. Doch wie muss Pop in der heißen Jahreszeit klingen? Und welche Hits waren das? SagenSie es uns!

Mein Soundtrack für den Sommer: Welche Songs sind die Sommerhits Ihres Lebens?
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Düsseldorf. Mitte August in den Neunzigern auf der Rückbank des überhitzten VW-Busses aufwachen und an zwei Dingen erkennen, dass man schon über die Grenze nach Italien gefahren ist: Die Leitplanke ist rostig-rotbraun und aus den Lautsprechern schallt Eros Ramazotti. An dieser musikalischen Tradition wurde in meiner Familie in knapp 15 Jahren Camping-Urlaub am Gardasee hartnäckig festgehalten. Und genau diese Tradition führt dazu, dass — ob „Cose della vita“ oder „Piu bella cosa“ — Eros Ramazotti innerhalb von nur wenigen Sekunden ein unverkennbares Sommergefühl in mir auslöst, mit dem ganzen Paket an Erinnerungen: Vom Geruchsgemisch aus Sonnencreme und feuchten Haaren über das eisverschmierte Kindergesicht bis zum erstaunten Blick auf die Kunststücke des Pizzabäckers vor dem Ofen.

Das ist es doch, was ein Sommerhit können sollte. Vom ersten Takt an Urlaubsgefühl. Das findet auch die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Seit 1990 bestimmt sie den offiziellen Sommerhit des Jahres. Für die Auswahl hat sie sich verschiedene Kriterien zurecht gelegt: Er soll eine eingängige Melodie haben und zum Tanzen geeignet sein. Gut wäre auch, wenn er auf Platz eins der Charts stand und auch in Musik-Streaming-Portalen und im Social Media Bereich hohe Abrufe erzielen konnte. Er soll durch kein Großevent bekannt geworden aber „in Clubs rauf und runter gespielt“ worden sein und von einem Künstler stammen, der „in den Jahren zuvor keine großen Charterfolge feiern konnte“. Eines der wichtigsten Kriterien ist aber auch bei der GfK: Der Hit soll Urlaubsstimmung verbreiten. Doch wie schafft Musik das?

„Die grundlegende Frage ist dabei, welche Vorstellung die Leute hier mit Urlaub verbinden“, sagt Fernand Hörner, der im Fachbereich Kulturwissenschaften an der Hochschule Düsseldorf auch über Populärmusik forscht. Für viele bedeute Urlaub Sommer, Sonne, Strand. Dementsprechende Stereotype werden für Sommerhits herangezogen. Das zeigt auch die Liste der GfK. Für 2017 wurde „Despacito“ vom Puerto-Ricaner Luis Fonsi zum Sommerhit gekürt — ein Lied, das sich dem lateinamerikanischen Pop und Reggaeton zuordnen lässt.

Auch in den vergangenen 27 Jahren sind einige Songs Sommerhits geworden, die sich solcher spanischer oder lateinamerikanischer Motive bedienen. Angefangen mit „Macarena“ von Los del Rio 1996 über „Samba de Janeiro“ von Bellini 1997, „Bailando“ von Loona 1998 bis hin zu „Mambo No. 5“ von Lou Bega 1999. Tanzbar sind diese Lieder allemal — drei von ihnen heißen schon wie lateinamerikanische Tänze und das ewige Macarena-Tanzen im Ferienclub wird auch noch vielen in Erinnerung geblieben sein.

Auch jamaikanische Klänge aus dem Reggaebereich, wie bei „Hamma“ von Culcha Candela (2007) oder die klassische Akustikgitarre, die oft mit südlichen Melodien in Verbindung gebracht wird, wie bei „Maria“ von der Boyband US5 (2005), nutzen die Liedermacher, um eben dieses Urlaubsgefühl zu transportieren.

In den vergangenen Jahren scheint aber auch immer mehr eine Rolle zu spielen, welche Lieder den Sommer über weit vorn in den Charts waren. Denn blickt man auf die Sommerhits seit 2012, handelt es sich dabei oft um Elektro-Hits, bei denen weder im Text noch in der Melodie gängige Urlaubsmotive zu finden sind.

Doch wie sieht es mit den Sommerhits vor 1990 aus, die noch nicht von offizieller Seite ausgerufen wurden? „Die Art, Musik zu hören, hat sich verändert“, sagt Hörner. Die Zuspitzung der Musik auf den Sommer war vermutlich eine andere als heute.

Trotzdem: Sommerhits gab es auch schon früher — sie hörten einfach anders an. „Bevor sich in den 60er Jahren immer mehr englischsprachige Musik durchgesetzt hat, konnte das Urlaubsgefühl noch mehr über den Text transportiert werden“, sagt Hörner. Und mit diesem wurde auch noch ein anderes Gefühl transportiert: Sehnsucht. Wenn es zum Beispiel bei Rudi Schurickes Capri-Fischern (1943) zu Beginn heißt „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt“ weckt das die Erinnerung an den letzten Urlaub. Und auch der Urlaubsflirt spielt bei diesen Hits eine große Rolle. Denn wo, wenn nicht im Urlaub, sorgt der Bossa Nova (Manuela, 1963) für durchzechte Nächte? Und woher kennen die zwei kleinen Italiener wohl Tina und Marina (Conny Froboess, 1962)? Und ist es auf dem Schiff vielleicht doch kein Matrose, sondern ein Tourist, auf den Lale Andersen 1960 so dringend wartet?

Ob Italien, Griechenland oder anderswo: Der Süden, der Strand, der Urlaubsort wird in Schlagern als Sehnsuchtsort inszeniert. Der Ort, an den zurückzukehren man sich das ganze Jahr über freut — sei es wegen der Wärme, der Entspannung oder der dortigen Gesellschaft. Sehnsucht als Vermarktungsstrategie.

Doch ganz unabhängig von allen musikalischen Kniffen und textlichen Mitteln, den Hörer zu entführen: Auch der persönliche Bezug zu bestimmten Liedern und eigene Erinnerungen und Erlebnisse in den Sommern, die man verbracht hat, können auch ganz andere Lieder zu echten Sommerhits machen. In unserer Serie „Mein Soundtrack für den Sommer“ stellen Redakteure unserer Zeitung ihre ganz persönlichen Sommerhits vor und plaudern ein wenig aus dem Nähkästchen.

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