Eine Leiche zur Tea-Time

Massenhaft Morde vor schöner Kulisse — die Briten lieben die Gegensätze in ihren Krimis und haben die wohl größten Detektive hervorgebracht.

Düsseldorf. Verträumte Ortschaften umringt von grünen Wiesen, wunderschön gelegene Cottages, feine Damen und Gentlemen treffen sich zum Fünf-Uhr-Tee. Und mitten in dieser Idylle geschieht ein Mord. Wohl keine Krimi-Nation spielt so mit Stereotypen und Gegensätzen wie Großbritannien. Und damit sind die Autoren erfolgreich.

Die Superstars unter den Detektiven, wie Sherlock Holmes, Hercule Poirot und Miss Marple kommen von der Insel. „Ich schließe mich zwar der Linie meiner meisten Kollegen an, dass den Ur-Krimi der US-Amerikaner Edgar Allan Poe geschrieben hat. Aber die Briten haben schnell Regeln entwickelt und sich in Sachen Krimis rasant weiterentwickelt“, sagt Michael Heinze vom Institut für Anglistik und Amerikanistik der Heine-Uni in Düsseldorf.

Wilkie Collins hat mit The Moonstone (Der Monddiamant) 1868 eine Subgattung des Krimis begründet, mit der die Briten Literaturgeschichte schreiben sollten: den Detektivroman. Arthur Conan Doyle, Agatha Christie und andere sind später in seine Fußstapfen getreten. „In typisch amerikanischen Krimis ist der Mörder von Anfang an bekannt. Der Polizist, zum Beispiel Columbo, muss dann nachvollziehen, wie der Mord passiert ist. Bei den Briten steht mehr die Herleitung der Tat im Mittelpunkt. Am Ende des Rätsels wird der Mörder entlarvt“, erklärt Heinze.

1928 hat sich um Agatha Christie, Henry Wade, Freeman Wills Crofts und andere der „Detection Club“ gegründet. Dieser hat Regeln für den perfekten Krimi festgelegt. Demnach muss zum Beispiel der Täter zu Beginn der Geschichte bekanntgemacht werden, und der Intelligenzquotient des Detektiv-Helfers sollte leicht unter dem des Durchschnittslesers liegen. „Der Helfer, der ,Watson’, ist typisch britisch. Er arbeitet dem Detektiv zu, der kein Polizist, sondern Hobby-Ermittler mit Kontakten zur Polizei ist“, sagt Heinze.

Abweichungen vom Original hin oder her, auf der ganzen Welt erfreuen sich die Verfilmungen klassischer englischer Detektivgeschichten reger Beliebtheit. So lässt die BBC gerade wieder Sherlock Holmes ermitteln — und zwar im London der Gegenwart. „Im Vergleich zu anderen Ländern hatten die Briten selten den Anspruch, politisch oder sozialkritisch zu sein. Sie wollten einfach unterhalten. Das könnte der Grund sein, warum sie bis heute — auch als Verfilmungen — so erfolgreich sind. Natürlich gibt es da aber mittlerweile auch Ausnahmen“, so Heinze.

Weitestgehend an die klassischen Detektivgeschichten orientieren sich unter anderem Colin Dexter, Minette Walters oder P. D. James. „Mittlerweile sind die Helden, angelehnt an amerikanische Krimis, häufiger Polizisten. Sehr erfolgreich ist damit zum Beispiel der Schotte Ian Rankin. Übrigens: Die Engländer schreiben gerne Serien um ihre Helden, selten sind es alleinstehende Romane“, sagt Heinze.

Gespannt blickt er momentan nach England, wo Potter-Erfinderin Joanne K. Rowling kürzlich den Krimi The Cuckoo’s Calling („Der Ruf des Kuckucks“) unter dem Pseudonym Robert Galbraith herausgegeben hat. Die Kritiker haben das Buch sehr gelobt.

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