Der Mörder wohnt nebenan

Es ist einfach: Eine Leiche, lokale Sprichwörter und einige Stereotypen — fertig ist der Regionalkrimi. Beliebt sind sie trotzdem.

Düsseldorf. In Düsseldorf lässt Sabine Klewe ihre Hobby-Detektivin Katrin Sandmann ermitteln, Michael Kobr und Volker Klüpfel schicken im Allgäu Kommissar Kluftinger auf Verbrecherjagd, und an der Ostsee wurde Oberkommissar Olaf Hansen von André Bawar stationiert. Ewig lang könnte diese Liste von Ermittlern und ihren Erfindern weitergehen, denn: Von Sylt bis Bayern — es gibt keine Region, die keinen eigenen Regionalkrimi hat.

Dabei ließe sich über die Qualität einzelner Werke durchaus streiten. Dennoch: Sie werden gekauft. Das Börsenblatt des Deutschen Buchhandels hat Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung veröffentlicht. Demnach haben im Jahr 2012 rund 3,2 Millionen Deutsche zum Regionalkrimi gegriffen und im Durchschnitt 2,4 Titel gekauft.

„Das Verkaufsargument ist tatsächlich der Wiedererkennungswert in einem leichten, spannenden Text. Sie lösen diesen ,Das kenne ich, da war ich schon mal’-Effekt aus, den die Leser offensichtlich so mögen“, sagt Maike Schmidt von der Uni Kiel. Das „Wo“ im Krimi, der Tatort, spielte immer eine große Rolle. Mit dem Regionalkrimi hat das noch einmal eine neue Dimension angenommen. „Zwischen Realität und Fiktion ist eine neue Spannung entstanden. Eigentlich waren die Krimis immer fiktiv. Durch reale Straßen, Restaurants, Strände oder Wanderrouten verschwimmt aber die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit“, erklärt Schmidt.

Dass der Mord in vertrauter Umgebung drinsteckt, suggeriert schon das Cover: Strände in der Ostsee-Region, grünbewachsene Berge in den Alpen. „Es geht mehr als in anderen Krimis um Stereotype. Hinzu kommen noch ein bisschen Geschichte, lokale Sprichwörter und Verweise auf die Kultur der Region.“ Die Zielgruppe sind Einheimische oder Touristen. Verkauft werden die Krimis meist nur gut in der Region, in der sie spielen. „Die fehlende Verbreitung kann vielleicht auch ein Grund sein, weshalb sie literaturwissenschaftlich wenig erforscht sind und den Ruf haben, besonders trivial zu sein“, sagt Schmidt.

Ein neues Phänomen ist der Regiokrimi nicht. „Der Begriff ist etwa 2005 aufgekommen. Das Genre gibt es schon wesentlich länger. Es hat eine rasante Entwicklung hinter sich“, sagt Schmidt. Bereits in den 1980er Jahren gab es die ersten Eifelkrimis von Jacques Berndorf und die Köln-Krimis. Welche Autoren in Zukunft das Genre beherrschen ist auch für die Literaturwissenschaftlerin schwer zu sagen: „Da könnte man höchstens für einzelne Regionen spekulieren. Hinzu kommt, dass sich die Regionalkrimis seit ihren Anfängen immer weiter ausdifferenzieren. Die Regionen werden immer kleiner“, sagt sie. Vielleicht gibt es also bald die Lokalkrimis.

“ Im nächsten Serienteil am Dienstag geht es nach Frankreich.

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