Partylaune, viel Musik und auch Kritik: Deutsche ESC-Fans in Lissabon

Dank Salvador Sobral dürfen die ESC-Fans derzeit in einer der schönsten Städte Europas weilen: Lissabon. Auch viele Deutsche sind gekommen, um die besondere Atmosphäre des Wettbewerbs zu genießen. Aber sie üben auch Kritik.

 Jessica Mauboy aus Australien gehört für deutsche Fans zu den Favoriten beim ESC 2018.

Jessica Mauboy aus Australien gehört für deutsche Fans zu den Favoriten beim ESC 2018.

Foto: Armando Franca

Lissabon. Um es mal vorwegzunehmen: Die Begeisterung für Lissabon als Veranstalter des Eurovision Song Contest 2018 hält sich bei den deutschen Fans in Grenzen. Daran sind aber weder der deutsche Beitrag von Michael Schulte noch die portugiesische Hauptstadt Schuld - sondern einzig die Organisatoren des Mega-Events. Und es stimmt: Das Spektakel wird fast nirgendwo öffentlich beworben, nur auf Taxis ist ab und zu davon zu lesen und natürlich an der außerhalb gelegenen Altice Arena, in der der ESC stattfindet. Aber es gebe kaum Anlaufstellen und nur wenige Partys, ganz anders als in den Vorjahren, bemängeln die Fans.

„Es scheint, als habe Lissabon das Ganze einfach lieblos nebenbei gemacht, weil die Stadt auch so schon genug Touristen hat und den ESC nicht wirklich braucht“, sagt Anne Halvorsen vom „Eurovision Club Germany e.V.“. In Kiew im vergangenen Jahr sei die Stimmung ganz anders gewesen, erzählt die 41-Jährige. „Die Ukraine wollte den ESC wirklich, das spürte man deutlich.“

ESC 2018: Das zweite Halbfinale in Bildern
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Zusammen mit 320 anderen Mitgliedern ist sie eigens für den Wettbewerb nach Portugal gereist - das sind so viele wie nie zuvor. Dutzende von ihnen haben sich am Donnerstag im Euro Fan Café gleich am strahlend blauen Wasser des Tejo zum wöchentlichen Fan-Treffen versammelt. Bierchen werden gezapft, es wird geklönt, aber es gibt auch immer wieder Kritik. Die Stimmung ist trotz allem gut - und das liegt auch am deutschen Beitrag, der einfach gut ankommt.

Die Ballade „You let me walk alone“ hat Michael Schulte über seinen vor 13 Jahren verstorbenen Vater geschrieben. „Schon als ich das Lied zum ersten Mal gehört habe, habe ich drei Minuten ununterbrochen geheult“, erzählt Club-Präsident Michael Sonneck. Die tolle Bühnenshow des 28-Jährigen tue ihr Übriges. „Mich hat er gekriegt, ich finde die Performance total berührend.“ Beim Finale am Samstag wird sich entscheiden, ob der Singer-Songwriter aus dem hohen Norden die Schmach der vergangenen Jahre beenden kann - Deutschland landete mehrmals hintereinander auf hintersten Plätzen.

Eurovision Song Contest: Deutschlands Erfolge und Blamagen
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Weitere Favoriten der deutschen Fans sind Italien, Schweden, Finnland und Australien - aber auch die Top-Anwärterin auf den Sieg, Netta aus Israel, kommt an. „Das ist endlich mal keine Ballkleid-Schönheit, sondern eine echte Erscheinung“, beschreibt Anne Halvorsen die ausgeflippte, stets schrill-bunt gekleidete Sängerin. Überhaupt sei der ESC in diesem Jahr so vielseitig wie noch nie, meint Clubmitglied Gunnar Schmeelcke. „Es ist alles dabei, eine Arie aus Estland, Elektromusik, Songs in der jeweiligen Landessprache, politische Lieder...“

Von der leichten Enttäuschung über die Organisation in Lissabon lassen sich die Fans also nicht unterkriegen: Ihre Liebe zum größten Musikwettbewerb der Welt ist ungebrochen. „Die Leute sind hier viel mehr beieinander als etwa bei Sportevents. Das ist ein Miteinander und kein Gegeneinander“, meint Schmeelcke. „Hier funktioniert Europa noch, und das seit über 60 Jahren.“ dpa

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