Schnell wie im Tatort wird der Königsmörder gestellt

Für das Theater Krefeld Mönchengladbach hat Hüseyin Michael Cirpici Shakespeares „Macbeth“ inszeniert

Macbeth im Theater Krefeld Mönchengladbach: "Die Gewalt bleibt fremd, als hätte sie mit uns selbst aber auch gar nichts zu tun. Viel Applaus vom Premierenpublikum."

Macbeth im Theater Krefeld Mönchengladbach: "Die Gewalt bleibt fremd, als hätte sie mit uns selbst aber auch gar nichts zu tun. Viel Applaus vom Premierenpublikum."

Foto: Theater Krefeld

Krefeld. Am Anfang und am Ende rot leuchtender Nebel und Regen aus einer aufwändigen Sprinkleranlage. Rot leuchten die Pfützen auf dem zentralen glatten Bühnenrechteck, hier waten alle die ganze Zeit durchs Blut. Ein Mörderstück wird in Krefeld gegeben, und nicht irgendeines. Hüseyin Michael Cirpici hat fürs Theater Krefeld Mönchengladbach Shakespeares Königsmördertragödie „Macbeth“ inszeniert. Bilder gelingen dem Regisseur und mit Hilfe der live agierenden Musikerin Julia Klomfaß durchaus auch eine stimmige Atmosphäre.

Erst fällt König Duncan (Joachim Henschke), dann müssen seine Diener dran glauben, um ihnen den Mord in die Schuhe schieben zu können. Der Mitwisser Banquo (Michael Ophelders) muss sterben, die Freunde, deren Kinder und so fort. Ein Mord zieht den anderen nach sich. Macbeth, durch die Prophezeiung der Hexen (Lena Eikenbusch, Helen Wendt, Esther Keil) zu Beginn zum Königsmord angestachelt, kommt von seinem blutigen Weg nicht ab. Erst sein Tod wird die Gewaltspirale stoppen.

Mit Paul Steinbach hat Cirpici Macbeth gegen den Strich besetzt. Steinbach ist rundlich an Gesicht und Körper, will dem Klischee des verhärteten und hart geformten Mörders nicht entsprechen. Gut so, denkt man sich, umso gemeiner wird es wirken, wenn sich der Mörder in diesem Jedermann erhebt.

Aber dann agiert Steinbach zu lange so, als hätte sich mit ihm ein verzweifelt zaudernder Hamlet ins falsche Stück verstolpert. Erst als er den Mord an Banquo in Auftrag gibt, ist Steinbach auf der Höhe der Tat.

Dafür ist seine Lady Macbeth (Eva Spott) von Anfang an nicht zart besaitet. Unterm weißen Pelzmantel trägt Spott wie die Kerle Männerhose und Stiefel, und das Mannweib presst seine Sätze mit rauer Stimme heraus. Das passt natürlich zum zaudernden Macbeth, doch nimmt man die beiden zunächst kaum als Paar wahr, sie wirken eher wie Mutter und Sohn: Die Lady muss ihrem Kleinen auf die Sprünge helfen.

Die Bühne ist abgesehen vom blutroten Boden dunkel und leer (Ausstattung: Sigi Kolpe), rechts und links eines Tors für die Auftritte von hinten hat Julia Klomfaß Klavier, Klarinette, Cello, Kontrabass und diverse Trommeln platziert. Sie produziert unheimliche Klangcollagen und elegische Cellopassagen, harsche Akzente oder rhythmisierende Pausen kennt ihr Soundtrack nicht. Atemgeräusche der fast dauerpräsenten Hexen mischen sich passend in die Musik.

Nicht drei Stunden dauert dieser „Macbeth“, sondern mit 100 Minuten ohne Pause nur etwas länger als ein TV-Tatort — da entwickelt sich wenig. Zu abrupt kehrt der ermordete Banquo als Geist zurück, kaum nimmt man der harten Lady Macbeth ihr Irrewerden an der Schuld ab.

Und wie im Standard-Tatort scheint mit dem Stellen des Verbrechers die Sache am Ende erledigt. Zum Kern des Bösen, nämlich als Abgrund in uns allen, dringt diese Inszenierung nicht vor. Sie findet nur die Abscheu vor der bösen Tat, die selbst der Täter teilt. Die Gewalt bleibt fremd, als hätte sie mit uns selbst aber auch gar nichts zu tun. Viel Applaus vom Premierenpublikum.

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