Rheingold-Studie: Persönlich frei sein — auf Kosten anderer

Laut der Rheingold-Studie ist die Mehrheit der Deutschen bereit, für die eigene Freiheit die Freiheit anderer einzuschränken oder Rechte zu verkaufen.

Köln. Freiheit, so finden 54 Prozent der Deutschen, ist nicht umsonst zu haben: Jemand müsse den Preis dafür zahlen — nur vorzugsweise eben nicht man selbst. Daher nehmen es 62 Prozent der unter 30-Jährigen in Kauf, dass den Preis für ihre günstige Kleidung die Kinder in Entwicklungsländern den zahlen. Auch würden 40 Prozent eine unfaire Flüchtlingspolitik oder die Einschränkung der Meinungsfreiheit (rund 30 Prozent) in Ordnung finden, wenn sie selbst dafür in der Straßenbahn in Ruhe gelassen werden.

Symbolbild.

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Foto: Frank Rumpenhorst

Die Ergebnisse der neuen „Rheingold“-Studie „Der Preis der Freiheit“, in der die Kölner Psychologen im Auftrag des Kreditkartenanbieters Barclaycard zwischen Februar und Juni 2017 erforscht haben, wie frei Deutschland im Durchschnitt eigentlich sein will, sind teils wenig schmeichelhaft: „Deutsche fühlen sich frei — zu frei, denn Freiheit macht ihnen Angst. Sie sind bereit, ihre ‚große Freiheit‘ wie Wahlfreiheit gegen die kleine persönliche zu tauschen. Und schließlich würde ein nicht kleiner Teil seine Freiheit auch verkaufen. Männer eher als Frauen. Der Preis liegt zwischen einer und zehn Millionen Euro.“ Mehr als 77 Prozent der Deutschen wünscht sich eine strengere Durchsetzung von Gesetzen, knapp 55 Prozent denken, dass es in Deutschland generell zu wenig Grenzen gibt.

Die bestehenden Regeln und Gesetze erscheinen den Deutschen darüber hinaus als viel zu dehnbar und nicht unumstößlich genug, und, so die Autoren der Studie: „Die Limitationen und Regeln müssen nicht in jeder Hinsicht sinnvoll sein. Sie dürfen sogar willkürlich sein. Entscheidend ist, dass sie unumstößlich sind.“

Insgesamt gaben mehr als die Hälfte der Befragten an, dass zu viel Rücksicht auf Ausländer, Zuwanderer und Gewalttäter genommen werde. Knapp 50 Prozent bejahten dies auch gegenüber Andersgläubigen (Nicht-Christen) so. Und selbst auf Behinderte, Alleinerziehende, sexuelle Minderheiten der Obdachlose werden zu viel Rücksicht genommen, fanden immerhin rund 15 Prozent.

In den Befragungen habe sich gezeigt, so die Kölner Psychologen, „dass die Menschen Freiheit nicht als Allgemeingut, sondern als ein sehr persönliches Gut sehen. Es wird stark differenziert zwischen den großen, allgemeinen Freiheiten wie Wahlfreiheit, Demokratie oder Pressefreiheit und den eigenen, kleinen, persönlichen Freiheiten wie der freien Partnerwahl, Bekleidungsfreiheit oder der Meinungsfreiheit im privaten Kreis.“ Erst auf der persönlichen Ebene werde Freiheit für die Menschen wirklich bedeutsam: „Sie sind nicht bereit, Einschränkungen auf der persönlichen Ebene in Kauf nehmen. Mehr noch: Sie sind sogar bereit, Freiheiten anderer einzuschränken, wenn ihnen dadurch selbst solche Einschränkungen erspart bleiben.“

In Leipzig, Köln und Hamburg wurden Teilnehmer gefragt, wen sie für ihre eigene Freiheit wegsperren würden. Die Bayern? „Ja“. Die restlichen Deutschen? „Ja“. Bestimmte religiöse Gruppen? „Ja“. Erst bei den Leipzigern, Hamburgern und Kölnern selbst sei dann Schluss gewesen: „Freiheit beginnt da, wo ich die Freiheit der Anderen einschränke“, laute scheinbar der neue Freiheitsimperativ.

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