Neuss Raketenstation Hombroich: Thomas Schütte baut sich eigene Halle

Streichholzschachtel und Chips gaben die Idee.

Neuss: Raketenstation Hombroich: Thomas Schütte baut sich eigene Halle
Foto: dpa

Neuss. Thomas Schütte ist nach seinem Lehrer Gerhard Richter der weltweit gefragteste deutsche Künstler der Gegenwart. Seine Werkblöcke finden sich in den Sammlungen Flick und Pinault, in Museen zwischen Los Angeles und Madrid. Doch Schütte, der Global Player, ist zugleich ein Einzelgänger und ein großer Melancholiker. Jetzt hat er sich sein Refugium gebaut, eine Skulpturenhalle auf dem platten Land neben der Raketenstation Hombroich in Neuss. Am Sonntag wird Einweihung gefeiert.

Schütte (61) macht nicht viele Worte, weder um seine Kunst noch um seine Stiftung. Dienstag ließ er sich lediglich seine anfängliche Idee für einen zauberhaften, scheinbar leichtfüßig in die Landschaft geduckten Pavillon entlocken: „Es war Weihnachtszeit, als ich das Grundstück kaufte. Anschließend ging ich in ein Büdchen, erstand eine große Packung Streichhölzer und eine Packung Chips.“ Die Streichholzschachtel wurde zur Kiste, die geschwungene Kartoffelscheibe zum Dach. Er habe „gebastelt“ und das Modell dem Architekten gegeben, damit er es im Computer ausrechnet.

Ganz so einfach war das nicht, denn bis zur Eröffnung vergingen fünf Jahre. Der Künstler hatte in Lars Klatte vom Düsseldorfer Architektenbüro RKW einen idealen Partner. Schütte lobt: „Ein Zusammenspiel war das. Ich habe eine Idee, die wird geprüft. Dann habe ich eine andere Idee. Und zum Schluss weiß man nicht mehr, was von wem ist. Man hat ja manchmal dumme Ideen. Wenn man die dann anders herum dreht, sind die Resultate plötzlich brillant.“

Kernstück der Anlage ist eine große, hohe, stützenfreie Halle mit einer Ellipse als Grundriss. Obwohl der Raum mehr als 600 Quadratmeter misst, wirkt er nicht gewaltig. Ein Pavillon mit einem leicht geschwungenen, scheinbar zur Mitte hin gewölbten Dach ist es geworden. Nur der Architekt weiß, was tatsächlich geschehen ist. Lars Klatte erzählt: „Das Dach ist der ellipsoid ausgestanzte Teil einer umgekehrten Kugel. Aber es gibt eine Gegenform, eine zweifach gekrümmte Schale. Das Wasser sollte sich ja nicht in der Mitte des Gebäudes sammeln, sondern an den Rändern abfließen.“

Entstanden sind mit der Halle sogar zwei Gebäude. Eines hat einen kompakten Kern für die museale Dienstleistung, mit Bibliothek, Werkstätten, Ticketverkauf und Kuratorenraum. Es wird von einem Erdhügel fast verdeckt. Das zweite Gebäude, allseits sichtbar, ist die Ausstellungshalle. Und unterirdisch sind beide Häuser miteinander verbunden, denn dort liegt das Depot für die 18 Schütte-Skulpturen, die vorher im Folkwang-Museum in Essen ausgestellt waren.

Zur Eröffnung der Halle wird aber nicht etwa die Kunst von Schütte gezeigt, sondern die des Italieners Mario Merz (1925-2003). Schütte ließ sich je sechs Arbeiten von den Galerien Konrad Fischer und Pietro Sparta leihen, um den wichtigsten Vertreter der Arte Povera (ital.: arme Kunst) zu präsentieren. Er zeige ihn, weil er vom Kunstmarkt nicht wahrgenommen wird.

Die Werke finden ideale Voraussetzungen. Die gläsernen Iglus von Merz sind in dem lichtdurchfluteten Raum fast körperlos. Gleichzeitig reflektieren die Glasscheiben das Licht und lassen es an den Kanten brechen. An den Wänden hängen die rahmenlosen Bilder, als würden sie zur Architektur des Raumes dazu gehören.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort