NRW ist das Land des TV-Entertainments

Das Land ist nicht das größte Filmland in Deutschland. Dafür wird hier am meisten für das Fernsehen produziert — und am meisten gedreht.

Der Kinofilm „Toni Erdmann“ wurde von der NRW Filmförderung unterstützt.

Der Kinofilm „Toni Erdmann“ wurde von der NRW Filmförderung unterstützt.

Foto: Komplizen Film NFP

Düsseldorf. Der neue Stolz Nordrhein-Westfalens ist „Toni Erdmann“. Die Tragikomödie der deutschen Regisseurin Maren Ade, gefeiert beim Filmfestival in Cannes, mit Burgschauspieler Peter Simonischek in der Hauptrolle, so gut besprochen wie seit Jahren kein deutscher Film mehr — und in der Hauptsache gefördert durch die Film- und Medienstiftung NRW, die bundesweit finanzstärkste Landesfilmförderung, die 2015 mehr als 400 Projekte mit 33,6 Millionen Euro gefördert hat. Am Donnerstag läuft „Toni Erdmann“ in den deutschen Kinos an. Ein Teil des Films wurde in Aachen und im benachbarten Langerwehe inszeniert. Der Streifen ist einer jener deutschen Perlen, die in Erinnerung bleiben werden. Und die die Kunst- und Kulturszene in NRW ganz offensichtlich mit Stolz erfüllt.

Der Kölner Tatort mit Klaus J. Behrendt (l.) als Kommissar Max Ballauf, Dietmar Bär (r) als Kommissar Freddy Schenk und Patrick Aboze als Assi Tobias Reisse.

Der Kölner Tatort mit Klaus J. Behrendt (l.) als Kommissar Max Ballauf, Dietmar Bär (r) als Kommissar Freddy Schenk und Patrick Aboze als Assi Tobias Reisse.

Foto: Rolf Vennenbernd

Allerdings: Wenn der Kinofilm die Drei-Sterne-Küche des Kulturbetriebs ist, ist die TV-Produktion für die Visitenkarte eines Bundeslandes eher das täglich Brot. So gesehen ist das Land Nordrhein-Westfalen zuerst ein anspruchsloser Esser, wenngleich er in Mengen verspeist: Nach Produktionsminuten bleibt Nordrhein-Westfalen weiterhin der deutschlandweit stärkste Standort für Fernsehproduktionen. Mit etwa 262 000 Fernsehminuten hatten NRW-Produzenten 2014 einen bundesweiten Marktanteil von etwa 36 Prozent. Das geht aus der Vergleichsstudie des Dortmunder Formatt-Instituts für 2013/14 hervor, die das Ministerium für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien in Auftrag gegeben hatte. Die Länder Bayern und Hamburg kamen mit 24 Prozent und 13 Prozent nur zusammen auf so viele Drehminuten wie NRW.

Der Film "Toni Erdmann", Kinostart am kommenden Donnerstag, gehört zu den Perlen des Deutschen Films. Und wurde in NRW gedreht.

Der Film "Toni Erdmann", Kinostart am kommenden Donnerstag, gehört zu den Perlen des Deutschen Films. Und wurde in NRW gedreht.

Foto: dpa

Anders verhält es sich beim Kinofilm, weil NRW eben „kein klassisches Filmland“ ist, wie Horst Röper, Leiter des Formatt-Instituts, gestern analysierte. Hier landet NRW mit einem Anteil von rund 20 Prozent auf dem dritten Rang hinter den Traditionsstandorten Berlin (mit Babelsberg, 30 Prozent) und Bayern (mit den Bavaria-Studios, 23 Prozent). Immerhin spiele NRW aber auch hier „im Konzert der Großen inzwischen mit“, sagte der Leiter des Formatt-Instituts, Horst Röper. Gleichwohl hat sich einiges verschoben: Weg von relativ kostspieligen Fiktionproduktionen (Anteil erstmals unter 20 Prozent) hin zu relativ kostengünstigen Entertainmentproduktionen. Deren Anteil stieg auf hohem Niveau weiter leicht an.

„Alarm für Cobra 11“ wird in Köln-Hürth produziert.

„Alarm für Cobra 11“ wird in Köln-Hürth produziert.

Foto: Rolf Vennenbernd

So behauptet sich NRW zum vierten Mal in Folge als TV-Formate-Lieferant Nummer 1. Im wesentlichen geht das auf einen Standort zurück: Köln mit seinen vielen Sendern von WDR bis RTL, mit unzähligen TV-Studios und Produktionsfirmen — und zwischen alle dem kurze Wege. Das Bundesland sei auch „einer der größten TV-Standorte in Europa“, sagte Medienminister Franz-Josef Lersch-Mense (SPD) gestern in Düsseldorf: Und: In keinem anderen Bundesland werde im Bereich Fiktion und Unterhaltung so viel gedreht wie in NRW. Allein der Tatort wird an drei NRW-Orten gedreht: In Münster ermitteln die Figuren Thiel und Boerne, in Köln Ballauf und Schenk und in Dortmund Hauptkommissar Faber.

Die Lindenstraße ist ein Dauerbrenner — gedreht in Köln.

Die Lindenstraße ist ein Dauerbrenner — gedreht in Köln.

Foto: Horst Ossinger

Lersch-Mense und Röper forderten die TV-Produktionsfirmen auf, ihre Umsätze offenzulegen. Auch die Zahl der Beschäftigten sei oft nicht bekannt, wohl auch, weil der Anteil der freien Mitarbeiter hoch ist. Die Aufträge verteilen sich laut Röper auf eine „Vielzahl von Firmen“, die zum Teil sehr klein seien und daher auch „Rucksackproduzenten“ genannt würden. Die Folge sei, dass für „einzelne Unternehmen dann doch häufig wenig übrig bleibt“. Die Klagen darüber seien in der Branche durchaus bekannt.

Das Team des Dortmunder Tatorts mit Jörg Hartmann (l.).

Das Team des Dortmunder Tatorts mit Jörg Hartmann (l.).

Foto: Rolf Vennenbernd

2013 wurden rund 190 Produktionsfirmen in NRW gezählt, 2014 waren es 180. Bundesweit stieg die Zahl der Produktionsfirmen 2013 auf einen Rekordwert von fast 900, sank aber 2014 auf gut 860. Der Output der Produzenten in NRW lag mit knapp 1500 Minuten weit höher als der bundesweite Durchschnitt von rund 850 Minuten pro Firma. Bei der Rangfolge der Auftragsvolumen wechseln sich die großen öffentlich-rechtlichen und die privaten Sender ab. So lagen die Dritten Programme mit rund 100 000 Minuten 2014 vor der ARD in Führung. 2013 war das ZDF Spitzenreiter, gefolgt von SAT.1 und RTL. Die privaten Sender haben aber mit mehr als 50 Prozent das Übergewicht bei den Aufträgen.

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