Nach dem Erdbeben Nepal: Wiederaufbau mit deutscher Hilfe

Voriges Jahr wurden bei gewaltigen Erdbeben Dutzende Tempel in Nepal zerstört. Mit deutscher Hilfe ist nun der Wiederaufbau im Gang.

Nach dem Erdbeben: Nepal: Wiederaufbau mit deutscher Hilfe
Foto: Stanislaw Klimek/Rohit Ranjitkar

Düsseldorf/Patan. Dass ein Erdbeben kommen würde, ist Geologen lange klar; auch, dass es wohl ein heftiges werden würde. Dennoch ist der Schock groß, als am 25. April 2015 gegen Mittag gewaltige Erdstöße die Himalaya-Region erschüttern. Das Epizentrum des Bebens liegt 80 Kilometer westlich der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu, das ehemalige Königreich am Dach der Welt wird schwer getroffen.

Nach dem Erdbeben: Nepal: Wiederaufbau mit deutscher Hilfe
Foto: Rohit Ranjitkar

Tausende verlieren ihr Leben, Zehntausende werden obdachlos, Häuser und bedeutende Kulturgüter krachen zusammen wie Bauklötze. Der Mount Everest, der höchste Achttausender der Welt, verschiebt sich durch die Erdstöße um drei Zentimeter nach Südosten, Kathmandu wird durch das Beben einen Meter angehoben und um einen Meter Richtung Süden verschoben.

Als wäre es damit nicht genug, bebt die Erde wenige Tage später ein weiteres Mal. Die Erschütterungen am 12. Mai kosten erneut Menschenleben und zerstören Gebäude. Besonders groß sind die Schäden im Kathmandu-Tal, fast die Hälfte der geschätzt fast 9000 Toten werden dort unter den Trümmern der eingestürzten Häuser oder unter Geröll begraben.

Im Kathmandu-Tal liegt die drittgrößte nepalesische Stadt Patan, auch Lalitpur genannt, die mit ihren Tempeln und Pagoden ein Magnet für ausländische Touristen ist. Seit dem Jahr 1979 gehören sie zum Unesco-Weltkulturerbe. Viele der 300 000 Besucher, die jedes Jahr nach Nepal reisen, machen auch einen Abstecher in die 250 000 Einwohner-Stadt. 50 Millionen Euro bringen die Besucher dem Himalaya-Land jedes Jahr, viele der 29 Millionen Nepalesen sind auf den Tourismus angewiesen. Zum Trümmergucken fliegt allerdings niemand nach Südasien. Keine Tempel, keine Touristen, kein Geld — so läuft das eben.

In Patan könnten aber schon sehr bald wieder bessere Zeiten anbrechen. Mithilfe der Düsseldorfer Gerda Henkel Stiftung (GHS) wird dort das archäologische Erbe Nepals wieder aufgebaut. Eine Million Euro hat die Stiftung im vorigen Jahr dafür bereit gestellt. Das Auswärtige Amt, mit dem die Stiftung für den Wiederaufbau des Kulturerbes in Nepal seit November offiziell zusammenarbeitet, hat 250 000 Euro spendiert. „Die Stiftung ist mit Abstand größter Sponsor in Nepal, das Auswärtige Amt das kleine Brüderchen“, stellt Niels Gutschow dazu trocken fest.

Gutschow, Jahrgang 1941, Wissenschaftler, Architekt und Bauhistoriker, arbeitet seit mehr als 45 Jahren in Nepal und ist derzeit mit seinem Team damit beschäftigt, den Harischankara-Tempel in Patan wiederaufzubauen, der im April schwer beschädigt worden ist. Die Henkel Stiftung unterstützt insgesamt sechs Projekte in Nepal, eines davon ist der Aufbau des Harischankara-Tempel, 1706 geweiht, der seit dem vorigen April ein einziger Trümmerhaufen ist.

Statt sich bei lokalen Behörden um Genehmigungen zu bemühen, schreitet Gutschow nach dem Beben selbst zur Tat. Bereits drei Tage nach den Erschütterungen beginnt der Bauhistoriker mithilfe von einheimischen Helfern, Schülern und Soldaten die Trümmer zu sichten und zu sichern. „Retten, was zu retten ist“, sagt Gutschow. Weil viele Gebäude aus Holz und Lehmziegeln errichtet sind, können die meisten Bauteile für den Wiederaufbau weiterverwendet werden. Tage nach den ersten Beben sortieren Helfer Brauchbares im Hof des Tempels.

Ohne schweres Gerät, alles per Hand — was sich als Glücksfall herausstellt. In Kathmandu etwa, schaffen Kettenraupen und Bagger den Schutt beiseite. Wertvolle Artefakte verschwinden bis heute unter meterhohen Schutthaufen. Für Gutschow ist mit Blick auf das Welterbe eines schnell klar: „Bagger verhindern!“

Zudem kann der Deutsche auf die Unterstützung gut ausgebildeter, nepalesischer Fachkräfte bauen; Handwerker beispielsweise, die auf generationenaltes Wissen und Fertigkeiten zurückgreifen können. „Das Authentische in Nepal sind die Hände der Zimmerleute, ihre Fähigkeit, etwas nachzubilden“, sagt Gutschow. Das sei anders als in Europa, hier gelte verbautes Material als erhaltenswert, nicht aber handwerkliches Können.

Gut drei Jahre wird der Wiederaufbau des HarischankaraTempels wohl noch dauern, 400 000 Euro der Henkel’schen Nepal-Million sind dafür eingeplant. Der ebenfalls schwer beschädigte Krishna-Tempel in Patan, 1637 erbaut, könnte laut Gutschow schon Ende des Jahres wieder zugänglich sein. Er wird zu Festtagen von Tausenden besucht — aber selbst die beschädigten Tempel spielen nach wie vor eine wichtige Rolle im Alltag. Für die Nepalesen gelten sie als Wohnsitz der Götter und sind somit täglicher Anlaufpunkt. Gutschows Auftrag: „Diese Götter leben und brauchen ihr Obdach wieder.“

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