Prinz Pi: Der Rap-Poet weiß, wo’s langgeht

Mit seinem zwölften Album ist Prinz Pi endgültig raus aus den üblichen Fahrwassern des deutschen Rap und bietet seiner Generation eine scharfsinnige Anleitung zur Orientierung.

Düsseldorf. Prinz Pi ist Außenseiter. In Berlin, wo Hip-Hop häufig kaum mehr als breitbeinige Pose ist, setzt der 33-Jährige auf anspruchsvolle Texte, auf Gesellschaftskritik, auf den Blick von außen. Und geht auch musikalisch einen anderen Weg als der Großteil des Rap.

Am Freitag ist sein neues Album „Kompass ohne Norden“ auf seinem eigenen Label „Keine Liebe Records“ erschienen. Es schließt eine Entwicklung ab, die Traditionalisten des Hip-Hops vor den Kopf stößt. Weniger Wut, mehr Pathos. Der Norden fehlt. Jener Teil, der auf dem Kompass zur Bestimmung aller anderen Himmelsrichtungen entscheidend ist. Orientierungslosigkeit? Pi bietet den Ausweg.

Dass er sich berufen fühlt, seiner Generation Fixpunkt und Orientierungshilfe zu sein, sieht man nicht nur daran, dass auf dem Kompass, der das Album-Cover ziert, ein „p“ anstelle des „N“ steht. Auch die Texte der Platte beschreiben eine Generation, die nicht weiß, wohin. Es geht darum, seinen Platz in der Welt zu finden („Fähnchen im Wind“), um den Widerspruch zwischen Retro-Trend und Schnelllebigkeit („Moderne Zeiten“). Und es geht um das ganz große Glück: die Liebe.

Nach „Rebell ohne Grund“ (2011) ist dieses Album ein weiterer, entschiedenerer Schritt in diese Richtung: weniger Sozialkritik, mehr Gesellschaftsbeschreibung. Pi ist Beobachter, Chronist. Das war nicht immer so. Der Berliner, der bürgerlich Friedrich Kautz heißt und als Beamtensohn in Charlottenburg aufwuchs, lernte auf einem humanistischen Gymnasium Latein und Altgriechisch. Nach ersten Gehversuchen als Sprayer unter dem Namen Porno tauchte er Ende der 1990er in der Berliner Hip-Hop-Szene auf — aus Porno wurde Prinz Porno.

Der Song „Keine Liebe“ verschaffte ihm Szene-Bekanntheit. Unter anderem mit der Beatfabrik machte er sich einen Namen als gesellschaftskritischer Rapper — und studierte nebenher Kommunikationsdesign. Bis heute fällt der Poet des Rap eher mit anspruchsvollen Texten denn mit ausgefeilten Rap-Skills auf. 2004 sollte Schluss sein mit dem Hip-Hop, Porno gab seinen Ausstieg bekannt, um ein Jahr später zurückzukehren — unter dem neuen Namen Prinz Pi.

Mit dem neuen Namen kam nach und nach auch eine neue Außendarstellung: eine weniger aggressive Attitüde in den Raps, Hornbrille, keine Kapuzenpullis mehr. Er sei es leid gewesen, dass Musikmagazine seine CDs ungehört zurückschickten, weil sie nicht „schon wieder so einen primitiven, frauenverachtenden Rap aus Berlin“ hören wollten, begründet er den Imagewechsel.

Ein Reichweiten-Problem also. Das besteht längst nicht mehr. Mit „Rebell ohne Grund“ hat Pi einen Grenzstein in sein Werk gesetzt. Platz neun in den Charts, dazu erstmals Beats mit großer Affinität zum Pop. Wo die Lieder 2008 auf „Neopunk“ noch „Spür die Wut“ hießen, standen jetzt ein Liebeslied („Du bist“) und „Schlaflied“.

Musikalisch war „Rebell ohne Grund“ zwar noch etwas unentschieden, aber richtungsweisend. So heißt es im letzten Lied „Beweis dagegen“: „Tschüss Rap, hallo Musik“ — ein Ausblick auf „Kompass ohne Norden.“ Die Trennung vom Produzenten folgte. Der Grund: „Biztram will alles selber machen. Er zieht seinen ganzen Sound aus einem Computer“, sagte Pi jüngst gegenüber dem Hip-Hop-Magazin „Juice“.

Er wollte einen anderen Weg, selbstbestimmt arbeiten und akustische Instrumente klingen lassen. Er wollte einen Sound, so verspielt wie die Beatles und so fett wie der Wu-Tang Clan. Zusammen mit Matthias Millhoff hat Pi pathetisch-beschwingten Pop mit perlendem Piano komponiert. Die Geräte dafür haben sie teils selbst zusammengelötet.

Prinz Pi hat ein Alleinstellungsmerkmal im derzeit lebendigen Deutsch-Rap. Während Casper manisch-depressiv und Cro ewig gut gelaunt rappt, während Kollegah und Farid Bang die breitbeinige Gangster-Pose perfektionieren und Max Herre nach wie vor den moralischen Zeigefinger hebt, ist der ironische Blick von außen selten.

Fakt ist aber auch, dass Pi selbst zu genau dieser suchenden Generation gehört, über deren Zeitgeist er in „Moderne Zeiten“ rappt: „Ist das ein Obdachloser oder doch der letzte Trend?“. Zumindest musikalisch hat er jetzt auf jeden Fall den richtigen Weg gefunden.

Termine: 19. Oktober, Köln, Live Music Hall; 8. November, Dortmund, FZW

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