Oper 4.0 Plattenboss Roscic künftig Direktor der Wiener Staatsoper

Wien (dpa) - Nein, kein „Weiter so“. Das war die Leitlinie für die wohl wichtigste Personalentscheidung in Österreichs Kulturlandschaft.

Oper 4.0: Plattenboss Roscic künftig Direktor der Wiener Staatsoper
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Die Wiener Staatsoper, ein Haus von internationalem Ruf und beneidenswerter Auslastung, bekommt einen Direktor vom neuen Schlag: Bogdan Roscic. Ex-Journalist, Senderchef eines Musikkanals, Plattenboss im Bereich Klassik - und vor allem Veränderer.

Das ist zumindest sein eigener Anspruch. Der in Belgrad geborene 52-Jährige mit aktuellem Arbeitsplatz in New York sieht in den USA, was er seinem künftigen Haus ersparen will: Leere Plätze. „Was ist die Oper, warum muss sie ein Teil unseres Lebens sein?“, diese Frage müssten alle Häuser beantworten, um auch beim jüngeren Publikum Anklang zu finden, formulierte Roscic am Mittwoch sein Credo. Die Oper stehe angesichts vieler anderen Angebote in einer bisher beispiellosen Konkurrenz um die Zeit und das Geld ihres Publikums.

Kulturminister Thomas Drozda beschrieb den Arbeitsauftrag so: „Wenn Sie so wollen, geht es auch darum, eine Staatsoper 4.0 zu kreieren.“ Der Altersdurchschnitt beim Publikum in der Staatsoper liege bei 57 Jahren, merkte Drozda am Rande kritisch an. Der wirtschaftlich erfolgreichen Amtszeit des Franzosen Dominique Meyer, seit 2010 an der Spitze der Oper, fehlten aus Sicht mancher Kritiker letztlich der Glanz und der Mut.

Unter 20 Mitbewerbern mit teils bester Reputation und großer Erfahrung hatte sich Roscic durchgesetzt. So gilt die Entscheidung für die Intendanz in den Jahren 2020 bis 2025 weithin als überraschend.

Denn die Wiener Staatsoper ist das kulturelle Aushängeschild der Kulturnation Österreich. Da scheint ein Quereinsteiger, der als Platten-Manager sogar mal in der Jury einer Castingshow saß, nicht ins rechte Licht zu passen. Die FPÖ ortete sogleich eine „Skandal-Besetzung“. Ein Mann ohne berufliche Erfahrung mit dem Musiktheater werde Leiter eines der führenden Opernhäuser der Welt, schimpften die Rechtspopulisten.

Der Dirigent und ehemalige Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper Franz Welser-Möst sah eine „sehr mutige Entscheidung.“ „Das ist ein echter Macher“, so Welser-Möst zur Nachrichtenagentur APA. Beifall kam aus München. Er gratuliere „zu dieser ausgezeichneten Entscheidung“, meinte der Intendant der Bayerischen Staatsoper, Nikolaus Bachler.

Bei seiner Vorstellung hielt Roscic eine flammende Grundsatzrede. Die Oper, „größte Materialschlacht der Kulturwelt“, müsse für das ganz Besonderes sorgen: Für „Erlebnisse einer anderen Tiefe und Intensität als sie Theaterroutine manchmal zu bieten hat“. Jeder kenne Sternstunden der Einheit zwischen Bühne und Publikum - „wo ein ganzes Haus wie in einem Klimmzug es schafft, sich auf das Niveau des gespielten Werkes hochzuziehen“. Danach wolle er nun streben. Drozda gab ihm noch auf den Weg: Mehr Premieren und andere Repertoirepflege.

Roscic ist in der Klassikwelt bestens vernetzt. Als Platten-Manager gehörten Anna Netrebko, Claudio Abbado, Lang Lang, Pierre Boulez, Rolando Villazón, Gustavo Dudamel und Anne-Sophie Mutter zu seinen Künstlern.

Inspiriert fühlt sich der Neue von einem ganz Alten: Gustav Mahler, 1897 bis 1907 Direktor der Staatsoper. Wenn sich 2022 der Amtsantritt Mahlers als Operndirektor zum 125. Mal jähre, werde das Haus seinen bedeutendsten Direktor und dessen Grundsätze gebührend feiern: „Unbedingter Kunst- und Gestaltungswille, höchster inhaltlicher Ehrgeiz in allem, Unterordnung aller Aspekte des Betriebs unter die Ansprüche höchster Qualität“, dachte Roscic schon lange voraus.

Unbestreitbar will der 52-Jährige frischen Wind mitbringen. Meyer wurde bei seiner Bestellung heftig beklatscht. Dann kamen die Mühen der Ebene in einem komplexen Kulturunternehmen. Roscic übernimmt ein Haus mit fast 100 Prozent Auslastung, rund 1000 Mitarbeitern, 350 Vorstellungen pro Spielzeit und 600 000 Besuchern. „Die Größe des Hauses, gewisse Starrheiten des Systems und des Betriebes werden große Herausforderungen sein. Die Staatsoper wird aber zweifellos mit einer neuen, mit einer anderen Energie aufgeladen“, kommentierte die Wiener Zeitung „Kurier“.

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