Pianistin Mihaela Ursuleasa gestorben

Wien (dpa) - Sie startete als staatlich brutal auf Leistung gedrilltes Wunderkind im kommunistischen Rumänien. Doch mit immer mehr eigenem Willen entwickelte sich die Pianistin Mihaela Ursuleasa zum soliden Klassik-Star, der international Anerkennung fand.

„Meinen intuitiven Zugang zur Musik habe ich nie aufgegeben - ich bin keine akademische Pianistin“, sagte die junge Frau erst kürzlich der österreichischen „Kleinen Zeitung“ in einem Interview. Am Donnerstag starb Ursuleasa in ihrer Wohnung in Wien im Alter von 33 Jahren an einer Gehirnblutung. Sie hinterlässt eine Tochter.

Das temperamentvolle Spiel und die lyrische Begabung der charismatischen Künstlerin mit den langen dunklen Haaren begeisterten Kritiker und Publikum gleichermaßen. Ursuleasa trat mit Orchestern wie dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, dem Mozarteum Orchester, dem London Philharmonic Orchestra und den Wiener Symphonikern auf. Sie spielte unter anderem auf renommierten Festivals wie den Salzburger Festspielen oder dem Lucerne Festival.

Nur wenn man als Musikerin etwas so gestalte, wie man es wirklich empfinde, werde man glaubwürdig, beschrieb sie im Interview ihren Zugang. 1978 im siebenbürgischen Brasov (Kronstadt) als Tochter eines Roma-Musikers geboren, saß sie bereits mit fünf Jahren am Klavier. Ihr Vater förderte sie spielerisch: „Zum Musizieren gezwungen wurde ich aber zunächst glücklicherweise nicht.“ Doch er starb, als sie im Grundschulalter war, das kleine Mädchen bekam eine sehr strenge Lehrerin: „Sie verkörperte den damals in kommunistischen Ländern üblichen Leistungsdruck quasi in Reinkultur.“

In rumänischen Medien soll sie von häufigen Schlägen ihrer Lehrerin berichtet haben. „Man sagte mir nicht, welche Fehler ich gemacht habe, stattdessen klatschte sofort eine Ohrfeige“, zitierte am Freitag die Tageszeitung „Adevarul“ aus einem früheren Ursuleasa-Interview. Ihr Selbstvertrauen sei noch Jahre nach ihrem Weggang aus Rumänien sehr schwach gewesen: „Dieser Beruf hat sehr viel mit der Seele zu tun, mit dem Gehirn, mit der psychologischen Vorbereitung. Ich wurde auch unmittelbar vor Konzerten geschlagen. Ich bin unter Tränen auf die Bühne getreten. Das ist mir oft passiert.“

Mit zwölf Jahren musste sie in Wien dem Dirigenten Claudio Abbado vorspielen, damit er - so die Hoffnung der Lehrerin - viele Konzerte mit ihr veranstaltet. „Abbado aber meinte, er trete nicht mit kleinen Kindern auf, so talentiert sie auch sein mögen, und riet uns eindringlich, von einer Fortsetzung der Wunderkind-Karriere abzulassen.“ Ursuleasa befolgte den Rat des Dirigenten, zog sich von der Bühne zurück und setzte ihre musikalische Ausbildung in Wien fort: „Das machte mich letztlich zur soliden Pianistin.“

Im Alter von 16 Jahren gewann sie den Clara Haskil-Wettbewerb von Vevey in der Schweiz und startete ihre „Erwachsenenkarriere“. Dirigenten wie Daniele Gatti, Paavo und Neeme Järvi, Marek Janowski, Andris Nelsons und Marc Albrecht luden sie ein. Ihre erste Solo-CD „Piano & Forte“ erschien für viele Beobachter ungewöhnlich spät 2010 mit Einspielungen von Beethoven, Brahms und Ravel. Sie gewann damit einen ECHO Klassik in der Kategorie „Solistische Einspielung des Jahres“. Ihre zweite Solo CD „Romanian Rhapsody“ erschien im März 2011 und ist mit Schubert-Stücken und Werken der rumänischen Komponisten George Enescu und Paul Constantinescu eine Hommage an ihre Heimat Wien und Rumänien.

„Die einzigartige Mischung aus temperamentvollem Spiel und lyrischer Begabung machte Mihaela Ursuleasa zu einer der bemerkenswertesten Pianistinnen der jüngeren Generation“, hieß es in einer Mitteilung des Young Euro Classic in Berlin. Auf dem Festival hätte Ursuleasa am Samstag gemeinsam mit dem Nationalen Jugendorchester Rumänien auftreten sollen. „Wir widmen dieses Konzert dem Andenken an diese unvergessliche Künstlerin.“

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