Pianistin Hélène Grimaud: „Schumann wird unterschätzt“

Die Pianistin Hélène Grimaud über ihre Verbindung zur deutschen Romantik, magische Orte und ihre große Liebe zu Wölfen.

Wuppertal. Ein künstlerisches Gipfeltreffen: Die französische Pianistin Hélène Grimaud und die argentinische Cellistin Sol Gabetta treten gemeinsam in der Historischen Stadthalle Wuppertal auf.

Frau Grimaud, Ihre internationale Karierre ist eng verbunden mit dem Klavier-Festival Ruhr, dem Sie seit Ihrem Debüt vor mehr als 20 Jahren treu sind. Was ist das Besondere an diesem Festival?

Hélène Grimaud: Es ist ein sehr spezielles Festival, das gerade jungen Künstlern eine besondere Chance bietet, so wie ich sie damals bekommen habe. Deshalb bin ich immer wieder gerne hier. Auch weil das Publikum ein sehr interessiertes und offenes ist. Besonders liebe ich die Historische Stadthalle in Wuppertal: akustisch hervorragend. Und architektonisch ist sie ein Schmuckstück, ein fast magischer Ort für Musik.

Diesmal sind Sie nicht als Solistin oder mit Orchester zu hören, sondern spielen mit der Cellistin Sol Gabetta. Ist Kammermusik schwieriger?

Grimaud: Das Zusammenspiel mit anderen ist eigentlich das Schönste, was ein Pianist machen kann. Ich habe mit vielen Partnern gespielt, besonders in der Zeit, als ich von New York nach Europa zurückgekommen bin. Und Sol ist ein echter Schatz, eine Musikpartnerin wie man sie sich nicht besser wünschen kann. Es ist für mich sehr inspirierend, mit ihr arbeiten zu können. Es fühlt sich so natürlich und richtig an.

Sie spielen unter anderem Werke von Robert Schumann. Haben Sie ein besonderes Verhältnis zu ihm?

Grimaud: Durch Schumann bin ich besonders der deutschen Romantik verbunden. Schumann ist ja nicht nur Komponist gewesen, sondern auch Literat, was seine Musik besonders einmalig und tief macht. Es ist eine Musik, die aus dem Augenblick heraus lebt, magisch und mystisch zugleich. Schumann ist ein Visionär, der seltsamerweise unterschätzt wird. Obwohl er vordergründig sehr bekannt ist, hat er viele, auch dunkle Seiten, die es zu entdecken gilt.

Wie weit ist es von Schumann zu Dimitri Schostakowitsch, dessen Cello-Sonate von 1935 ebenfalls auf dem Programm steht?

Grimaud: Beide haben sehr an ihrer Umwelt gelitten. Besonders Schostakowitsch unter dem stalinistischen Regime, mit dem er bis ins Existenzielle gehende Konflikte austragen musste. Daher kommt auch das Schwere und Traurige in seiner Musik, die immer autobiografisch zu sehen ist. Aber seine Musik ist zugleich auch kraftvoll und strahlend, von einer ganz persönlichen Note geprägt, die ich sehr schätze.

Seit 1991 engagieren Sie sich für Wölfe, haben mit einigen von ihnen gelebt und ein Wolf Center in den USA gegründet. Dank strenger Schutzbestimmungen leben in Deutschland wieder rund 60 Wölfe. Warum sind Ihnen diese Tiere so wichtig?

Grimaud: Zu diesem Bestand gratuliere ich Deutschland. Das ist wundervoll. Der Wolf ist Teil eines ökologischen Systems, um das es mir eigentlich geht. Er ist auch ein schönes Beispiel für das ambivalente Verhältnis des Menschen zur Natur. Auf der einen Seite gibt es den Hund als gezüchteten Nachfahren des Wolfs — geliebter und nützlicher Begleiter des Menschen seit der Steinzeit. Auf der anderen Seite ist der Wolf eine Angstgestalt, nicht nur im Märchen. Dabei ist er ein höchst soziales Wesen, das gerade dem Menschen aus dem Wege geht. Er ist Teil eines natürlichen Systems, das der Mensch zu zerstören droht — und ohne das auch wir nicht leben können.

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