Musik: Die Fee, die keine Märchen mag

Pop: In den USA ist Sara Bareilles die Neuentdeckung des bisherigen Jahres. Mit ihrem Debüt „Little Voice“ versucht sie nun, auch in Europa Rekorde aufzustellen.

Düsseldorf. Das Märchen wurde irgendwann dann doch wahr. Und das, obwohl Sara Bareilles (gesprochen: Beräijes) nicht an Märchen glaubt. Sie hat sich in Geduld geübt, jahrelang die Flügel in Clubs und Hotel-Lounges in und um ihre Heimatstadt Los Angeles bespielt und ihre selbst geschriebenen Songs dann schließlich 2004 auf ein Album gepackt, das unter dem Titel "Careful Confessions" bei einem kleinen Label erschien.

Einzelne Tracks waren immerhin von Jesse Carmichael, dem Keyboarder von Maroon 5, produziert. Bareilles hatte mit einigen Mitgliedern der Erfolgsband zusammen auf der UCLA (University of California, Los Angeles) studiert.

Um die elf Piano-Popsongs angemessen zu promoten, fehlte dann allerdings das notwendige Kleingeld. "Careful Confessions" blieb zunächst unbeachtet, erst allmählich machte eine überschaubare, aber hartnäckige Fangemeinde das Album zum Geheimtipp unter Mundpropagandisten.

Was schließlich doch noch den Prinz auf den Plan rief, auf den Bareilles nie warten wollte, wenn man den Text ihres Songs "Fairytale" autobiografisch deutet. Darin singt sie, lieber jahrelang das schlafende Schneewittchen sein zu wollen, wenn der vermeintlich Richtige sie sowieso nur vom Träumen abhalte. So gesehen muss sich Bareilles andere Trauminhalte suchen, seit sie vor drei Jahren von Musikmanager Pete Giberga einen hoch dotierten Plattenvertrag angeboten bekam, den sie schließlich unterschrieb.

Mit dem Druck, den eine solche Verbindlichkeit mit sich bringt, konnte Bareilles gut leben. Ihre langjährige Erfahrung als Amateurmusikerin in High School und College sowie als übernächtigte Tagelohnsängerin ließ die damals 25-Jährige pragmatisch an die Sache herangehen.

Das erste Album hat sowieso kaum jemand gekauft, da lässt sich das eine oder andere sicherlich recyceln, dachte sie, und bei Epic Records, ihrem neuen Arbeitgeber, nickte man begeistert. Was bedeutete: Bareilles verdiente plötzlich nicht nur erheblich mehr Geld, sie hatte, um ein Album mit zwölf Songs voll zu machen, auch nur die Hälfte der eigentlichen Arbeit vor sich.

Entsprechend ausgeruht sind die sechs neuen Kompositionen. Was sich nicht nur künstlerisch auszahlte. Die erste Singleauskopplung "Love Song", eine groovende Uptempo-Ballade, die mittlerweile auch auf deutschen Radiostationen gerne gespielt wird, entwickelte sich zu einem der beständigsten Hits der amerikanischen Chartgeschichte.

Bereits im vergangenen Juni auf den Markt geschmissen, enterte der Titel im Herbst die Verkaufslisten, um im Dezember in die Top Ten vorzustoßen und dort bis heute zu überdauern. Zwei Millionen Einheiten verkaufte die Nummer bislang und bereitete Bareilles den Weg, ihr gesamtes Repertoire in den voll besuchten Vorprogrammen von Großhallenfüllern wie James Blunt oder Lenny Kravitz vorzustellen.

Diese Platzierung macht durchaus Sinn. Genauso wie Blunt und Kravitz ist Bareilles eine musikalische Autodidaktin, die sämtliche Songs selbst schreibt, bei den instrumentellen Arrangements das letzte Wort hat und erst verhältnismäßig spät erste Erfolge einfahren konnte. In diesem Jahr wird sie 29, in der Branche für manche bereits ein Alter für den Vorruhestand.

Freiwillig wird sie wohl erstmal nicht die Segel streichen. Und vor dem Schicksal, im nächsten Jahr bereits als Eintagsfliege zu gelten, schützt sie ihr zeitloser Kompositionsstil, der klassische Klavierklänge mit Blues, Folk und Jazz-Anleihen würzt, eine Mischung aus Songschreiber-Legenden wie Billy Joel und Joni Mitchell, aber auch mit einem leichten Schlag in die verstörende Tiefhall-Rhythmik, mit der Independent-Chansonette Fiona Apple in den 90ern das Piano zu einem Percussion-Gerät umfunktioniert hat.

An einem neuen Album arbeitet Bareilles bereits. Diesmal kann sie aber nicht mehr auf bewährten Altbestand zurückgreifen. Dieser Bonus ist aufgebraucht.

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