La Roux: Charme mit Schaumfestiger

Endlich darf wieder im Synthie-Wohlklang geschwelgt werden. Denn gleich mehrere Projekte sorgen derzeit für ein 80er-Revival in den Charts. Am überzeugendsten: La Roux.

Fangen wir mit dem Augenfälligsten an, und das ist bei Elly Jackson ihre Frisur, eine fast schon monumentale Wave-Welle, überbordend und chemisch steifgeschlagen. "Dafür brauche ich nicht lange", sagt sie. "Schaumfestiger rein und kurz modelliert, dann steht das." Vielleicht sollte man eher sagen, sie liegt, die Frisur, quasi wasserwaagengenau in der Horizontalen.

Gloria von Thurn und Taxis sah in den 80ern so aus, als sie bei "Wetten, dass...? selbstvergessen zu Bap abrockte, und das bei Weitem noch nicht das Peinlichste war, was sie an diesem Abend so alles anstellen sollte. Für Elly Jackson ist Gloria kein Begriff. Nationale Grenzen, an denen der Bekanntheitsgrad unerklärlicher Medienphänomene abrupt enden, können manchmal gnädig sein.

Es sind dann eher doch die offensichtlicheren Vorbilder, an denen Jackson sich für ihren Kleidungsstil, ihre Musik, ihre gesamte Lebenseinstellung orientiert hat: Annie Lennox, Alison Moyet, die frühe Kylie Minogue und die späte Deborah Harry, eigentlich all diese Bands und Künstler, die kurz, nachdem die 80er abgelaufen waren, als nachhallresistente Eintagsfliegen verstoßen wurden.

Ihre Musik hielt sich allerdings, allen Unkenrufen zum Trotz, bis heute - und zwar hartnäckig. Für Elly Jackson, die sich auf der Bühne La Roux nennt, kein Wunder: "Pop hatte damals eine Seele", räsoniert die 21-Jährige, und seltsamerweise klingt es noch nicht mal altklug, vielleicht ja auch, weil sie damit recht hat. "Musik hat damals einfach Spaß gemacht, heute hingegen klingt der Mainstream nicht mehr locker. Ich traue dem aktuellen Pop nicht."

Elly Jackson lebt also eher in der Vergangenheit. Oder sollte man sagen: La Roux tut es. Tief in den 80ern, zu einer Zeit, als sie selbst noch nicht einmal auf der Welt war, ein anderer Jackson allerdings die Welt mit seinem bahnbrechenden Soul-Pop dominierte. Bei Elly Jackson zwischen ihr und ihrem Alter Ego La Roux zu unterscheiden, macht durchaus Sinn. Die Frisur beispielsweise ist Teil ihres Identitäten-Hoppings, das rostig leuchtende Rot verhalf ihr zum frankophilen Künstlernamen, der übersetzt "Die Rothaarige" bedeutet.

Aschfahles Make-Up, tiefschwarzer Lidstrich, auffällig geschminkte Lippen, desinteressierte Noblesse im Blick, ein bisschen erinnert La Roux an diesen namenlosen Blickfang aus dem Video zu "Fade To Grey" von Visage, einem der ersten kommerziell erfolgreichen Synthie-Hits überhaupt. Elly Jackson allerdings hat mit der Kunstfigur, die sie für ihre Auftritte schuf, scheinbar nur wenig zu tun. Sie lacht gerne und tut es entsprechend oft. Die 80er-Pose, das dekadent Gelangweilte, verschwindet dann.

Dass sie einmal waschechten Elektro-Pop machen würde, hätte Jackson noch vor drei Jahren wohl nicht für möglich gehalten. Auf der Schule war sie die leicht abgehobene Lagerfeuer-Bardin, die mit ihrer Gitarre ständig Bob Dylan anstimmte. Erst die Begegnung mit ihrem heutigen musikalischen Partner Ben Langmaid, der in den 90ern noch mit dem späteren Faithless-Kopf Rollo Armstrong an Techno- und House-Tracks rumbastelte, brachte das Erweckungserlebnis, an dessen Ende heute La Roux steht. Streng genommen versteckt sich hinter dem Pseudonym sogar das gesamte Duo Jackson/Armstrong. Allerdings hält sich der wohl medienscheue Herr im Hintergrund, ähnlich wie damals Dave Stewart bei den Eurythmics oder Vince Clarke bei Yazoo.

Erstaunlicherweise sind es auch diese beiden Formationen, an die man als erstes denken muss, wenn man das Debüt-Album von La Roux hört. Wunderschöne, leicht klinische Melodien sind das, aufgesogen von wabernden und gluckernden Synthie-Untermalungen und natürlich beherrscht von der klaren, zwischen lieblich und depressiv schwankenden Kopfstimme, mit der Elly Jackson das Projekt so unverwechselbar macht. So lernt man die 80er rückwirkend doch noch lieben.

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