Kevin Rudolf: Der Möchtegern-Revoluzzer

Die Single „Let It Rock“ ist allgegenwärtig, ihr Urheber Kevin Rudolf eher unbekannt. Dabei arbeitete er vor seiner Solo-Karriere schon für Nelly Furtado und die Black Eyed Peas.

Düsseldorf. Wenn man dem Infozettel der Plattenfirma Glauben schenken darf, dann hört der kommende Revoluzzer des Musikgeschäftes auf den Namen Kevin Rudolf. Genauer gesagt steht der New Yorker sogar schon kurz vor der Machtübernahme: Seine Debütsingle "Let It Rock" sei "einfach so aus dem Nichts" aufgetaucht, heißt es da. "Wie eine Bombe, die in allen US-Radiosendern gleichzeitig explodierte und eine einzige massive Druckwelle auslöste".

So massiv gar, dass Kevin Rudolf von einem Tag auf den anderen "im Fadenkreuz" der DJs stand. Reichlich martialisch klingt so etwas in einer Zeit, in der der neue Präsident der Vereinigten Staaten Barack Obama heißt und die Amerikaner nach Jahren endlich einmal anderes im Kopf haben als Terror und Gewalt.

Und wie der Mann singt: "Every day I’m a star in the city. Walk the streets like a loaded gun." Der Held läuft wie eine geladene Knarre durch seine Stadt und hat ein Versprechen im Gepäck: "When I arrive, I, I’ll bring the fire. Make you come alive, I can take you higher", stottert er. Soll heißen: Er hat Feuer unterm sprichwörtlichen Hintern und zündet damit jeden an, der ihm zu nahe kommt. "In The City" heißt das Debütalbum Kevin Rudolfs, das jetzt auch in Europa erscheint. Es klingt nach einer recht zweifelhaften Revolution.

Natürlich sind da die unmöglich zu ignorierenden Referenzen des jungen Mannes: Rudolf arbeitete als Studiomusiker und Produzent bereits mit Top-Acts wie Nelly Furtado, Timbaland oder den Black Eyed Peas zusammen. Für den Song "Let it rock" holte er sich Lil Wayne ins Boot. Weitere Mitspieler auf "In The City" sind NAS und Rick Ross - was beweist: Unbedarft ist der Amerikaner wahrlich nicht.

Zudem kennt er sich irgendwie überall aus: Sein Heimat-Label "Cash Money Records" hat sich von Hause aus jenem Rap und Hip-Hop verschrieben, der Rudolf schon als Jugendlicher in den Straßen New Yorks um die Ohren ballerte. Und sein Instrument ist die Gitarre - sie machte ihn zum Rocker. Mit erhobener Faust und "Punk-Beigeschmack", wie die Plattenfirma verlauten lässt. Auf das Cover des Albums, so wird verkündet, würden gar die großen "Clash" stolz sein: Es zeigt Kevin Rudolfs Silhouette, in der Hand die tief am Körper hängende Gibson Les Paul, das Ur-Werkzeug des Rockers. Im Hintergrund ist eine Kulisse aus heruntergekommenen Häuserzeilen zu sehen. Auch der Sticker zur Warnung vor jugendgefährdender Sprache darf natürlich nicht fehlen.

Und somit ist sie fertig, die Optik aus Hinterhof-Dreck und Subversivität, die man eigentlich immer von den Ramones, den in den 80ern gegen das Establishment hetzenden US-Hardcore-Bands oder den britischen Streetpunks als Sprachrohr der "Working class" gewohnt war. Jetzt aber kommt Herr Rudolf.

Leider bleibt er nicht lange - jedenfalls nicht im Ohr. Dazu sind seine Texte einfach zu platt und übersättigt mit den üblichen Fäkalsprachen-Klischees. Die Synthesizer-Beats pluckern vor sich hin. Und der "frische Wind", den der Umtriebige nach eigenen Worten mit seiner Gitarre dem Rap und Hiphop einhauchen will, entpuppt sich ob der belanglosen Riffbruchstücke als heiße Luft.

Seine Vergangenheit als Studiomusiker mag vielleicht gezeigt haben, dass Kevin Rudolf kein Schlechter ist. Und Ideen hat der Mann ja auch. Aber "In The City" offenbart dreierlei. Erstens: Die urbane Musik New Yorks kommt eigentlich ganz gut ohne Rock aus. Zweitens: Wer etwas wirklich Subversives hören will, der greift zu Public Enemys "It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back" oder zu den Platten Black Flags. Und drittens: Wer trotzdem Lust auf Crossover hat, der schiebt bitteschön die Beastie Boys in den CD-Spieler. Das war schon immer Gebot. Und das bleibt auch nach Kevin Rudolf so. Revolution verschoben.

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