John Malkovich begeistert als Meisterverführer

Wien (dpa) - Schon etwas altersschwach schleppt sich der berühmteste Verführer aller Zeiten zwischen seinen wichtigsten Wirkungsstätten - Schlaf- und Ankleidezimmer - hin und her. Der Glanz ist zwar schon etwas verflogen, aber Altersweisheit hat sich auch nicht eingestellt.

Mit Biografie in der Hand beharrt Casanova auch gegenüber der letzten Frau in seinem Leben, der schönen Schriftstellerin Elisa von der Recke, auf seinem Lebensthema.

Unter riesigen Rokoko-Reifröcken als Zelten hält John Malkovich (57) in der Hauptrolle bei „The Giacomo Variations“ untermalt von Mozart-Klängen Rückschau auf ein libidogesteuertes Leben. Das Uraufführungspublikum im Wiener Theater Ronacher erlag am 5. Januar den Avancen des Hollywoodschauspielers und reagierte mit Bravo-Rufen und langem Applaus.

„Es ist eigentlich eine unglaubliche Frechheit, was wir da machen“ hatte der Regisseur und Autor Michael Sturminger zuvor über sein Musiktheaterprojekt mit Starbesetzung gesagt. „Aber es macht uns wahnsinnig viel Spaß.“ Für die musikalische Untermalung der Casanova'schen Lebensschau bedienten sich er und der musikalische Leiter Martin Haselböck frei bei Mozarts drei Da-Ponte-Opern „Don Giovanni“, „Figaro“ und „Cosi fan tutte“. Das Bühnenbild bleibt statisch, vier Darsteller bestreiten den ganzen Abend: Malkovich als Casanova wird Bariton Florian Boesch als musikalischer Spiegel zur Seite gestellt. Die Schauspielerin Ingeborga Dapkunaite und die Sopranistin Sophie Klußmann verkörpern die Frauen im Leben des Womanizers.

„Ich werde sicher nicht der nächste Pavarotti sein“, hatte der amerikanische Schauspieler augenzwinkernd in einem Fernsehinterview vor der Premiere angemerkt. Dennoch singt der Opernneuling manche Arien mit den Profis tapfer mit - auch wenn klar wird, dass dies sicher nicht zu den Hauptstärken des Oscarnominierten gehört. Schauspielerisch fügt sich Malkovich in das Ensemble ein und macht trotz des berühmten Namens aus dem Stück keine One-Man-Show.

Nie ganz klar zieht sich Casanovas Selbstbespiegelung über mehr als zwei Stunden: Vergangenes vermischt sich mit der Gegenwart, seine Biografie mit der Handlung aus den Mozart-Opern. Und genauso nicht fassbar - wie der berühmte Verführer für seine Opfer wohl auch war - legt Malkovich seinen Casanova an: Changierend zwischen intelligentem Unterhalter, abgeschmacktem Schwerenöter, gewitztem Charmeur bis hin zum Vergewaltiger, wenn ihm eine Frau nicht freiwillig erliegt.

Konfrontiert mit den von ihm gebrochenen Herzen verteidigt er den Moment und die absolute Freiheit von allen Konventionen - bis hin zum Sex mit der eigenen Tochter. Angesichts des nahenden Todes flüchtet er sich dann doch wieder in die Arme einer ehemaligen, einst vergessenen Geliebten und schwört ihr ewige Liebe - was dabei Schein und was Sein ist, bleibt offen.

Gerade noch vier Mal wird das Stück in Wien aufgeführt, dann tourt es durch die Welt und wird ab Mai bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen zu sehen sein. Warum sich ein berühmter Kinostar für so ein Projekt auf die Bühne stellt? Malkovich begründet es fast wie Casanova: „Ich habe immer bekommen, was ich wollte. Wenn mir interessante Leute ein interessantes Projekt vorschlagen, mache ich es einfach.“

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