Interview mit Culcha Candela: „Musik darf nicht umsonst sein“

Berlin. Mit sechs Bandmitgliedern aus fünf Ländern sind Culcha Candela aus Berlin gelebte Integration. Ein Gespräch über die deutsche Sprache und die Flatrate-Mentalität.

Auf dem Album „Flätrate“ sind die deutschen Songs deutlich in der Überzahl. Was bedeutet Ihnen die deutsche Sprache?

Don Cali: Sie ist eine Art Heimat. Dadurch, dass ich als gebürtiger Kolumbianer deutschsprachige Lieder mache, erkenne ich an, dass ich auch ein bisschen deutsch geworden bin.

Itchyban: Ich habe die deutsche Sprache über die Jahre liebgewonnen. Früher war es uncool, überhaupt auf Deutsch zu rappen. Allein von der Metrik und der Anzahl der Silben her ist es wirklich nicht die leichteste Reimsprache. Mittlerweile gibt es aber richtig coole Sachen auf Deutsch. Einer wie Peter Fox biegt die Worte auf sehr elegante Weise. Da hört man gerne zu.

Alle Bandmitglieder sind zweisprachig aufgewachsen. Inwieweit hat Sie das geprägt?

Don Cali: Ich habe die erste Hälfte meines Lebens in Bogotá verbracht. Mittlerweile kann ich nicht mehr ohne Berlin, aber eigentlich auch nicht ohne Kolumbien. Unsere Musik ist ein Spiegel Berlins, sogar Deutschlands. Hier leben so viele Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln. Man muss bereit sein, auch andere Sprachen zu sprechen, um Mitmenschen verstehen zu können.

Wie denken Culcha Candela eigentlich über Thilo Sarrazins umstrittene Thesen? Wird unsere Gesellschaft tatsächlich durch integrationsunwillige Migranten zurückgeworfen?

DJ Chino: Ich habe mir sein Buch bewusst nicht gekauft, aber die Debatte hat uns schon sehr beschäftigt. Ich glaube, letztendlich war es eine geschickte Kampagne, um die Verkaufszahlen in die Höhe zu treiben. Ich persönlich finde, um die Integration ist es nicht so schlecht bestellt, wie es einem weisgemacht werden soll. Deutschland schafft sich jedenfalls nicht ab. Ich habe auch keine Angst, dass die deutsche Kultur verdrängt wird. Das sind total antiquierte Ressentiments.

Itchyban: Wir leben in der am besten funktionierenden Demokratie der Welt. Sarrazins Buch birgt die Gefahr, dass böse Menschen sich die Schlupflöcher in dieser Demokratie suchen und sie für ihre Zwecke missbrauchen. Auch Deutsche wandern aus. Heimat ist immer da, wo man sich wohlfühlt. Deutschland finde ich alles in allem total knorke.

Im Titelsong prangern Sie augenzwinkernd die Flatrate-Mentalität an. Was läuft dabei schief?

Itchyban: Es gibt Musikfans, die laden sich irgendwo ein Album runter, weil sie darauf getrimmt sind, dass alles umsonst zu sein hat. Manchmal kriegen wir unbekümmerte Mails wie: „Hi, ich bin ein Riesenfan von euch. Stellt doch mal einen Downloadlink bei Facebook rein!“ Wieso sollten wir das tun?

Was halten Sie von Musik-Flatrates à la Napster, Musicload oder Music Monster?

DJ Chino: Immer noch besser, als gar nicht dafür zu bezahlen. Aber eine Flatrate ist sicher nicht das geeignetste Mittel, dem Wert von etwas gerecht zu werden. Musik darf nicht umsonst sein, nur weil sie digital verfügbar ist.

Itchyban: Ich finde, es sollte eine einheitliche Datenbank geben, damit Musik überall erhältlich ist. Die Konzerne sind in der Bringschuld. Wenn man Musik illegal leichter bekommt als auf Bezahl-Plattformen, dann läuft da irgendetwas falsch.

Hat das Internet zu einer Abwertung des Berufsstandes Künstler geführt?

Itchyban: So weit würde ich nicht gehen. Für viele ist das illegale Herunterladen allenfalls ein Kavaliersdelikt. Die wissen gar nicht, wie viele Stunden Arbeit in einem Song stecken. Wenn man den „normalen“ Menschen da draußen sagt, man sei Musiker, gucken die einen verstört an. Mit „Musiker“ verbinden die Leute, die auf der Straße Klampfe spielen und anschließend mit dem Hut rumgehen. Sagt man aber „Popstar“, sind die Leute plötzlich ganz interessiert und aufgeregt.

Wie sieht Ihr Alltag als Popstar und Musiker aus?

DJ Chino: Unser Beruf hat sehr unterschiedliche Facetten. Ein Videodreh zum Beispiel dauert im Extremfall 24 Stunden am Stück, ein Tour-Tag besteht nicht nur aus dem Auftritt selbst, sondern auch aus Interviews davor und Autogrammstunden danach. Es ist eigentlich wie bei allen Selbstständigen: Je mehr man investiert, desto mehr kommt am Ende dabei raus.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort