In Bayreuth werden die Karten neu gemischt

Bayreuth/Hof (dpa) - Die Aufregung war groß, als der Bundesrechnungshof eine deutliche Rüge nach Bayreuth schickte. Der Tenor: Zu wenig Karten für die Richard-Wagner-Festspiele gelangten in den freien Verkauf - dabei unterstütze der Staat den Festspielbetrieb.

Subventioniert also die öffentliche Hand einen elitären Elfenbeinturm, den Otto-Normal-Steuerzahler nur betreten dürfen, wenn sie jahrelang brav auf Tickets gewartet oder auf dem Schwarzmarkt hohe Preise bezahlt haben? Bei der Staatsanwaltschaft Hof gingen zudem Strafanzeigen wegen des Verdachts der Untreue ein. Im Februar will die Anklagebehörde nun die Ergebnisse ihrer Ermittlungen präsentieren. Man habe erst kürzlich noch einmal neue Unterlagen angefordert, die im Januar eingegangen seien, sagte Oberstaatsanwalt Gerhard Schmitt.

Die harsche Kritik des Bundesrechnungshofs bereitete den Verantwortlichen in Bayreuth großes Kopfzerbrechen. Alle Kartenkontingente seien auf den Prüfstand gekommen, sagte der Chef des Verwaltungsrats, Toni Schmid. Der Spitzenbeamte im Münchner Kunstmuseum hatte in den Diskussionen stets darauf hingewiesen, dass viel Fingerspitzengefühl nötig sei.

Ein Beispiel: Die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth ist eine mächtige Mäzenatenvereinigung, die den Festspielbetrieb jährlich mit rund drei Millionen Euro Spenden unterstützt. Im Gegenzug bekommt die Gesellschaft ein Ticketkontingent, das sie an ihre Mitglieder verteilt - dabei handelt es sich aber nicht um Freikarten. „Jede einzelne Karte wird von uns bezahlt“, sagte Freunde-Vorstand Georg von Waldenfels.

Auch für dieses Jahr bekommen die Mäzene rund 14 000 Karten. Der Rechnungshof könne schließlich nicht verlangen, „dass wir die Kuh schlachten, deren Milch wir brauchen“, hatte Schmid betont. Das Geld der Mäzene dürfte tatsächlich bald dringender notwendig sein denn je: Das Festspielhaus muss saniert werden.

Abstriche müssen allerdings die 138 Wagnerverbände mit ihren mehr als 24 000 Mitgliedern in aller Welt hinnehmen. Hauptaufgabe der Verbände ist die Nachwuchsförderung. Junge Künstler der Richard-Wagner-Stipendienstiftung erhalten Karten für Aufführungen auf dem Grünen Hügel. Dem einstigen Festspielleiter Wolfgang Wagner sei es zudem wichtig gewesen, dass Verbandsvertreter nach Bayreuth kommen, um die Stipendiaten zu betreuen, sagte Eva Märtson, die Vorsitzende des Richard-Wagner-Verbandes International. Diese Karten werden nun gestrichen. „Das war eine nette Geste. Aber uns war immer klar, dass das nicht ewig so weitergehen wird“, sagte Märtson. Die Karten für die Stipendiaten blieben ihnen aber zugesichert - und das sei das Allerwichtigste.

Deutlich geräuschvoller hatte sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) im Dezember zu Wort gemeldet. Jahrelang gab es speziell für Gewerkschaftsvertreter reservierte Vorstellungen - die sind nun gestrichen. Bayerns DGB-Chef Matthias Jena reagierte empört: „Anscheinend hat die Festspielleitung die Geschichte der Festspiele vergessen. Die Ursprungsidee Richard Wagners waren Festspiele für das ganze Volk, also die Öffnung von Bayreuth auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“

Nach Ansicht von Georg von Waldenfels geht es dem Bundesrechnungshof aber auch um etwas anderes - und nicht nur um mehr Transparenz bei der Kartenvergabe: Die Strukturen am Grünen Hügel müssten weiter professionalisiert werden, sagte er. Die Gesellschaft der Freunde sei hierbei gerne behilflich.

Der Umbau bei den Festspielen läuft. Nach den Jahrzehnten, in denen Wagner-Enkel Wolfgang Wagner als Patriarch im Festspielhaus alle Fäden fest in der Hand hielt, sind nun seine Töchter Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier am Ruder. Sie müssen längst die Macht teilen, Verwaltungsrat und Stiftungsrat reden mit. Aus Bayreuth wird ein moderner Kulturbetrieb. Ungebrochen ist indes das Interesse an Wagner-Opern im Festspielhaus. Für die gut 60 000 Plätze, die bei den diesjährigen Festspielen zu vergeben sind, liegen weit mehr als 300 000 Bestellwünsche vor.

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