Farin Urlaub: "Was Freundschaft betrifft, bin ich sehr spießig."

Düsseldorf. Herr Urlaub, Ihr Künstlername ist bei Ihnen Programm. Haben Sie je gezählt, wie viele Reisen Sie in Ihrem Leben schon gemacht haben?

Urlaub: Nein, aber ich weiß, wieviele Länder ich besucht habe.

Und, wie viele sind es?

Urlaub: 117.

Oh, da waren doch sicher auch Länder dabei, von denen Sie heute abraten würden, oder?

Urlaub: Naja, ich will ja alles sehen, auch Länder die mir am Ende nicht so gefallen. Daher bin ich froh, auch dort gewesen zu sein. Es gab zwei Länder, bei denen ich ziemlich entsetzt war. Die möchte ich jetzt aber nicht nennen, das gibt nur böses Blut.

Verraten Sie uns denn, welche Sie besonders toll fanden?

Urlaub: Meine Lieblingsländer sind Italien und Brasilien. Da fühle ich mich wie zu Hause. Mittlerweile rückt aber auch Japan immer näher heran. Da war ich bisher sechs oder sieben Mal und habe mich immer pudelwohl gefühlt. Es gibt aber noch einige Regionen dort, die ich unbedingt noch sehen will.

Welche anderen Länder reizen Sie noch?

Urlaub: Mich reizt die ganze Welt, da gibt es kaum Abstufungen. Als Initialzündung reicht oft ein Reisebericht oder ein Artikel, den ich irgendwo lese, um zu sagen: Da muss ich unbedingt hin.

Nun erscheint von Ihrer fünf Monate langen Reise durch Australien und Osttimor ein großer Bildband. Sie haben darin auch über Ihre persönlichen Eindrücke geschrieben. Was wollten Sie schaffen: einen Reiseführer, eher etwas Landeskundliches oder Kunst?

Urlaub: Es gab so etwas mal ganz, ganz früher: Da sind Abenteurer irgendwo hingefahren und haben ihre Erlebnisse aufgeschrieben, sicher auch einiges dazu gedichtet. Dazu wurden dann Skizzen gezeichnet, die Fotografie gab es noch nicht. Diese Werke waren damals ganz beliebte Halb-Romane, wenn man so will. Man wusste nicht genau, was davon wirklich Realität ist. Aber die Autoren nahmen die Leute praktisch mit auf die Reise. Das habe ich mir etwas zu eigen gemacht. Nur, dass es jetzt eben Fotos dazu gibt.

In Ihren Texten schreiben Sie, dass fast die gesamte Reise aus ganz spontanen Entscheidungen bestand. Funktioniert das wirklich?

Urlaub: Ja, klar. Ich habe in Australien spontan entschieden, noch nach Osttimor zu fliegen.

Man kann ohne jede Planung durch Australien reisen?

Urlaub: Ja, sicher. Wir Deutschen haben ja mittlerweile einen großen Vorteil: Wir sind in den meisten Ländern der Welt extrem willkommen, und dürfen - ohne dass uns jemand kennt - schon mal einen Monat da bleiben. Und in der Zeit kann man sich in einem Land gut zurecht finden.

Fühlten Sie sich auf Ihren Reisen auch bei den Menschen willkommen? Oder gibt es Deutschen gegenüber noch Vorbehalte?

Urlaub: Das habe ich nur sehr selten erlebt und bei der Reise durch Australien und Osttimor gar nicht. Das Thema Zweiter Weltkrieg scheint dort lange durch zu sein.

Wie hängt das Reisen mit Ihrer Musik zusammen? Brauchen Sie das eine für das andere?

Urlaub: Die Kreativität ist bei mir ans Reisen gekoppelt. Mir kommen sehr viele Ideen für Lieder beim Reisen, daher habe ich auch immer ein Diktiergerät dabei, auf das ich dann die Ideen spreche oder auch mal Textpassagen singe. Die Arbeit kommt dann eigentlich erst nach dem Urlaub beim Sortieren und Auswerten.

Wann kommen Ihnen solche Ideen? Eher beim Blick auf eine Landschaft oder bei Begegnungen mit Leuten?

Urlaub: Nicht in einem Gespräch, da bin ich eher im Hier und Jetzt. Eher beim Fahren, insbesondere auf dem Motorrad. Da kommen mir immer mehr Ideen als im Auto - keine Ahnung, warum das so ist. Wenn ich einen Monat auf dem Motorrad sitze, kann ich nach dem Urlaub ein komplettes Album einspielen.

Können Sie als Individualreise-Profi ein paar Ratschläge geben, was man beachten sollte?

Urlaub: Es gibt eine ganz einfache Regel im Umgang mit den einheimischen Leuten: Bei denjenigen, die einen ansprechen, sollte man vorsichtig sein. Die wollen normalerweise irgend etwas. Aber wenn man selbst jemanden anspricht, wird man zumeist auf große Hilfsbereitschaft treffen. Ich habe da fast ausschließlich gute Erfahrungen gemacht.

Haben Sie eigentlich abgesehen von Musik, Reisen und Fotografie noch Hobbys?

Urlaub (lacht): Ich habe auch Freunde! Die sehe ich zwar nur selten, aber das ist überhaupt kein Problem.

Würde Sie einer dieser Freunde mit Farin ansprechen?

Urlaub: Nein, niemals. Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich diese Freunde alle schon hatte, bevor ich mir den Künstlernamen zugelegt habe.

Es ist seit den 1980ern niemand dazu gekommen?

Urlaub: Schon ein paar gute Bekannte. Aber mit dem Begriff Freundschaft bin ich sehr spießig. Meine Freunde, das ist eine sehr kleine Gruppe von Menschen.

Wird man vorsichtiger mit Freundschaften, wenn man ein Star ist?

Urlaub: Nein, das spielt eigentlich keine Rolle. Ein Freund ist jemand, bei dem ich nachts um Drei wegen eines Problems anrufen kann und der dann nicht sagt: Oh, das ist jetzt aber schlecht. Mit sogenannten Freunden in sozialen Netzwerken kann ich nichts anfangen.

Sind Sie denn in sozialen Netzwerken aktiv?

Urlaub: Nein, um Himmels willen! Das ist doch totale Zeitverschwendung.

Können Sie denn nachvollziehen, warum so viele Menschen dort ihre Zeit verbringen?

Urlaub: Überhaupt nicht. Wieviele Menschen kann man denn gut kennen? Wenn jemand sagt: "Ich habe 200 Freunde bei Facebook", sage ich: "Nein, hast du nicht." Ich habe da eine etwas einfache Theorie: Die Nerds, die diese Plattformen entwickelt haben, waren an ihren Unis so isoliert, dass sie den Freundschaftsbegriff, den die anderen hatten, kaputt machen wollten. Man "added" in diesen Netzwerken ja nicht irgendeinen Kontakt auf seiner Liste, nein, das wird ja gleich als "Freund" bezeichnet. Aber das sind doch keine Freundschaften.

Haben Sie eigentlich auch gemeinsame Hobbys mit Bela und Rod von den Ärzten?

Urlaub: Es gibt in dieser Dreier-Konstellation meistens Teil-Überschneidungen: Mit Bela teile ich die Liebe zu bestimmten Filmen, mit Rod die Liebe zu den Beatles, über die sich Bela gern mal lustig macht. Und Bela und Rod teilen die Liebe zur Trashkultur, also ganz schlechten Filmen, ganz schlechten Metal, überhaupt ganz schlechte Musik . . .

So etwas würden die Ärzte aber niemals spielen?

Urlaub (grinst): Da sage ich jetzt nichts zu.

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