Elektro-Rock: Punk aus dem Synthesizer

Das Duo Digitalism begeistert momentan eingeschworene Elektronik-Freaks genauso wie den Mainstream. Zu Recht!

<strong>Düsseldorf. Zehn Jahre ist "Homework" alt, das Debütalbum der französischen Avantgarde-Tüftler von Daft Punk. Eine schwierige Phase hatten sie sich für ihre Sequenzer-Symphonien ausgesucht: Rave, die englische Symbiose aus Elektronica und Gitarrenriffs, war mit der Schließung des Clubs "The Hacienda" in Manchester zu Grabe getragen worden. Und auf den zum Massenphänomen herangewucherten Party-Exzessen wie der Love Parade und der Maday tanzten schon längst nicht mehr die Anhänger von Techno, sondern eher die Jünger von Ecstasy und LSD. Elektronik, so schien es, war mausetot. Auf diesen Trümmern ließ sich allerdings auch gut aufbauen, aus alten Soundstrukturen entstanden neue Hörgewohnheiten. Heute gehören Daft Punk zu den prominentesten Protagonisten der weltweiten Club-Landschaft. Sie gaben den Beats, den Scratches und den sphärischen Klangteppichen wieder, was ihnen im Laufe der 90er Jahre abhanden gekommen war: ihre Massenkompatibilität. 2007 schafft es eine weitere Formation, die eng gesteckten Grenzen des Elektronik-Genres zu sprengen und den Mainstream zu begeistern, ohne den Stallgeruch der Szene zu verleugnen. Ihr Name: Digitalism. Ihre Heimat: Deutschland. Moment, denken sich da manche: Handelt es sich bei Digitalism nicht auch um Franzosen? Mitnichten! Zwar veröffentlichten Jens Moelle und Isi Tuefekci ihre Klangideen bislang auf dem selben französischen Label wie Daft Punk. Ihr Erstwohnsitz ist allerdings nach wie vor Hamburg, die Stadt, aus der sie auch beide stammen.

Als Teil der Pariser Elektronik-Szene gab’s zu Hause
keinen Heimbonus

"Wir sind schon froh, dass wir jetzt den Vertrag mit einer großen Plattenfirma haben." Mit dem Rummel, der sich in den vergangenen Monaten um ihn und seinen Kollegen entsponnen hat, kommt Moelle gut zurecht. "In Japan beispielsweise mussten sie uns an den Fans vorbeischleusen, damit wir überhaupt zum Bühneneingang kommen." Den 25-Jährigen amüsiert das mehr, als dass es ihn beängstigt.

Kurzkritik Elektro-Rock? Was soll denn das sein? Hat doch gar keine Gitarren! Die braucht’s auch nicht, wichtig ist das Gefühl, und das sagt pogen, so wie einst bei den Sex Pistols oder den Ramones. Das, was Digitalism machen, ist Punk ohne politisches Sendungsbewusstsein, wie eine wissenschaftliche Variante der in den 60ern und 70ern auf Konzerten gängigen Zerstörungsorgien, durch die The Who oder die Kinks regelmäßig zu neuem Equipment kamen. Angepasstheit? Nein danke! Struktur? Aber so was von! Was Nine Inch Nails für den Industrial Sound, sind Digitalism für die Elektronik: seziermesserscharf, zwingend, verstörend!

Highlights "Anything New" variiert die Bedrohlichkeit von Science-Fiction-Soundtracks zu einer völlig neuen Sogwirkung, "Zdarlight" lässt klanglich Telespiel-Traumata wiederauferstehen und "Echoes" schießt das Hirn in völlig neue Umlaufbahnen.

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