Der diskrete Charme von Herrn Biolay

In Frankreich gilt Benjamin Biolay als Held, der das totgesagte Chanson in die Gegenwart hinüberrettete. Mit seinem siebten Album wagt der 40-Jährige Schlenker in andere Genres.

Düsseldorf. Vielleicht erklärt man Benjamin Biolay am besten so: Er ist der Anti-David-Guetta, also das Gegenteil von plastisch, elektronisch und nervös pumpend. Hierzulande wenig bekannt, genießt der Neo-Chansonnier in seiner Heimat Frankreich das Leben eines Superstars.

Auch wenn er Vergleiche mit den Größen des Chansons als abwegig empfindet, klingt er (zumindest in deutschen Ohren) stark nach den Heroen der 1960er- und 1970er-Jahre, nach Typen wie Serge Gainsbourg, Gilbert Bécaud oder Charles Aznavour.

Es sind vor allem Biolays heiserer Sprechgesang und die zweideutigen Flüsterduette seiner Musik aus zuckersüßen Streichern, gestrichenen Gitarren-Akkorden, mehligen Piano-Tupfern und nett-naiven Flöten, die Erinnerungen an eine Zeit wachrufen, in der auch bei uns das Hören französischer Musik absolut „in“ war.

Mit seinem siebten Album will der bald 40-Jährige sich nun verändern, seinen Stil ein Stückchen weiter treiben und alle überraschen. Das ist ihm mit Bravour gelungen. „Vengeance“ (zu deutsch: Rache) erweitert sein modernes Chanson um Elemente aus Hip-Hop, New Wave und Rock — Einflüsse, die früher bei ihm eher andeutungsweise vorhanden waren und jetzt hörbar herausbrechen. Biolays Werdegang wurzelt zwar im omnipräsenten Soundtrack seiner Kindheit und Gainsbourg war sein Held, inspiriert haben ihn dennoch Bands wie New Order, Joy Division und The Smiths.

Nach außen hin befolgte der Sohn einer Arbeiterfamilie, geboren im unromantischen Industrieort Villefranche-sur-Saône, zunächst elterliche Vorgaben: Im Alter von 13 Jahren lernt der junge Biolay ein Instrument. Nicht Gitarre, nein, auch nicht Klavier. Völlig unzeitgemäß hockt er im örtlichen Blasorchester hinter seiner Tuba. Schwer vorzustellen, wenn man bedenkt, dass sein Name heute in Frankreich ein Inbegriff von Coolness und Eleganz ist.

Der Wechsel zur Posaune ist sein erster Schritt zur Selbstbehauptung, die Flucht aus der Heimat der zweite. Am Konservatorium von Lyon, der drittgrößten Stadt Frankreichs, erhält er ein Stipendium und absolviert eine klassische Ausbildung — und das mit 15 Jahren. Doch Popmusik ist seine große Liebe. Nach einer Phase als Frontmann der Rockband Mateo Gallion beschreitet er Solopfade, lernt die Sängerin Keren Ann Zeidel kennen und formt mit ihr ein Duo.

Das gemeinsame Debüt von Biolay und Zeidel macht Alt-Chansonnier Henri Salvador aufmerksam. Für sein Comeback bittet er die beiden um Hilfe. Das Resultat ihrer Zusammenarbeit heißt „Chambre Avec Vue“ („Zimmer mit Aussicht“) und schlägt hohe Wellen, die Biolay mit einem Schlag bekanntmachen. Sein erstes Soloalbum „Rose Kennedy“ (2001) wird als „Rettung des französischen Chansons“ gefeiert, und auch als Produzent, etwa für Valérie Lagrange und Juliette Gréco, scheint er innerhalb kürzester Zeit im Musikgeschäft angekommen.

Heute, nach sechs erfolgreichen Alben und einer geschiedenen Ehe mit Chiara Mastroianni, der Tochter von Cathérine Deneuve und Marcello Mastroianni, wird Womanizer Biolay von seinen Landsleuten verehrt und von der Presse als Enfant Terrible aufgefasst. Ihm werden Affären mit der Ex-First-Lady Carla Bruni, der Schauspielerin und Tochter von Johnny Hallyday, Laura Smet, oder Johnny Depps Ex-Freundin Vanessa Paradis nachgesagt.

Ob’s stimmt oder nicht — Letztere arbeitete gar an seinem neuen Album mit, und Biolay schwärmt von ihr in den höchsten Tönen. „Es ist schwer zu beschreiben, warum man eine Stimme liebt“, so der Charmeur, „aber Vanessas bewegt mich.“ Es sei ein „wunderschönes Geschenk“ für ihn, dass sie auf dem zweiten Stück der Platte, „Profite“, mit ihm singe.

Und auch wenn er selbst es vielleicht nicht gern hört: Als eines von mindestens sechs Duetten festigt das schöne Stück einmal mehr seinen Ruf als moderner Chansonnier und künstlerischer Nachfahre der Generation Gainsbourg.

Termin: 27. April, 20.30 Uhr, Den Atelier, Luxemburg-Stadt

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