Cesária Évora: Star und „Schutzengel der Armen“

Lissabon/Mindelo (dpa) - Bei ihren Auftritten platzten legendäre Konzertsäle wie die Royal Festival Hall in London oder Le Grand Rex in Paris, aber auch Hallen in China, USA oder Portugal aus allen Nähten.

Sie wurde von so verschiedenen Persönlichkeiten wie der Queen oder Venezuelas umstrittenem Präsidenten Hugo Chávez hofiert.

Für ihre Fans war die Sängerin Césaria Évora der Weltmusik-Superstar. Daheim im armen afrikanischen Inselstaat Kap Verde war die Frau, die am Samstag mit 70 Jahren starb, aber viel mehr: Sie bedeutete Stolz, Vorbild, Hilfe und Hoffnung.

Zu Ehren der Armen ihrer Heimat trat Évora immer ohne Schuhe auf, wurde deshalb die „barfüßige Diva“ genannt. Im Kampf gegen Armut und Ungerechtigkeit beließ sie es aber nicht bei solchen Kundgebungen. „Sie hatte nicht nur eine unvergleichliche Stimme, sie war auch ein toller Mensch, hat unzähligen Straßenkindern geholfen“, erzählte in Lissabon der kapverdische Musiker Djujuty Alves, der ein Jahr lang mit Évora arbeitete. „Sie war für ihre Landsleute so etwas wie ein Schutzengel“, sagte auch Kap Verdes Kulturminister Mário Lúcio Sousa.

Évora wurde am 27. August 1941 in Mindelo auf der Insel São Vicente geboren. Sie wuchs in einer Musikerfamilie auf. „Musik war überall“, erzählte sie. Nach dem frühen Tod ihres Vaters, des Geigers Justino da Cruz Évora, wurde sie zunächst mit sieben Jahren von Groß- und dann auch von Pflegeeltern aufgezogen. Später kam sie in ein Waisenhaus. Mit 15, 16 Jahren begann sie dann, für eine Handvoll Münzen in Kneipen, Hotels und Straßen in Mindelo aufzutreten. Bruder Lela begleitete sie am Saxophon.

Als sie heiratete und zwei Kinder bekam, musste „Cize“, wie die Freunde sie nannten, die Musik aufgeben. Dafür gab es zwischen ihrem 20. und 35. Lebensjahr einfach keine Zeit mehr, weil sie mit anderen Jobs die Familie ernähren musste. Sie litt unter Depressionen und verfiel dem Alkohol. „Grogue“, der Zuckerrohrschnaps ihrer Heimat, wurde zum Trost für die unerfüllte Liebe zur Musik. „Das waren die schwärzesten Jahre meines Lebens“, sagte sie viele Jahre später.

Mit Hilfe ihres Freundes und Managers José da Silva fand Évora dann aber zurück ins Glück. „Er hat mich gerettet“, pflegte sie zu sagen. Zu Hause wurde die Frau, die fast immer eine Zigarette in der Hand hatte und durch trockenen Humor auffiel, schnell zum gefeierten Star. In den 80er Jahren eroberte Évora dann zunächst Frankreich. Von da an ging es rapide bergauf: Mit ihrem fünften Album „Miss Perfumado“ (1993) erzielte die Musikerin mit 51 Jahren weltweiten Erfolg.

Évora wurde zur Königin der Morna, der süß-melancholischen, bluesartigen Sehnsuchtsmusik ihrer Heimat, einer ehemaligen Kolonie von Portugal. Eines Landes mit einer einzigartigen und tragischen, von Sklavenhandel, von Verschmelzung verschiedener Kulturen und von Armut und Auswanderung geprägten Geschichte. Zum Klang von Geigen, Gitarren, Akkordeons oder Klarinetten und mit ihrer einzigartigen, zugleich sanften und rauen Stimme, erzählte Évora auf kreolisch deshalb von Lebensmut und Wehmut, von Schmerz und Hoffnung und vor allem von „Sodade“, Melancholie.

Sie nahm insgesamt 24 Live- und Studio-Alben und mit Peter Maffay ihren wohl berühmtesten Song „Sodade“ auf. Sie verkaufte Millionen Platten und CDs. 1998 und 1999 erhielt sie den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. 2004 gewann sie als Krönung ihrer Karriere den Grammy für das Album „Voz D'Amor“ und 2007 zeichnete sie der damalige französische Präsident Jacquers Chirac mit dem Orden der Ehrenlegion aus.

Die Fans trauern nun um Évora, dürfen aber auf eine letzte „Zugabe“ hoffen: Nach den jüngsten Alben „Nha Sentimento“ (2009) und „Cesaria Evora &...“ (2010, unter anderem mit Adriano Celentano, Bonnie Raitt und Salif Keita) arbeitete die Kapverdierin an einem Balladen-Album, das mit Musikern ihrer Heimat aufgenommen wurde. „2012 ist es wohl soweit“, hatte Évora noch im vergangenen August gesagt.

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