Berlinale: Für den Favoriten gibt es Silber

Mit dem Goldenen Bären ehrt die Jury „Tropa de elite“, einen Film über den Straßenkrieg in Rio de Janeiro.

<strong>Berlin. Vergewaltigte Kinder, verzweifelte Mütter, verstorbene Väter - düstere Familienwelten von China bis Mexiko fesselten Jury und Journalisten in den ersten Festivaltagen vor der Leinwand im Berlinale Palast. Ein ganz anderes Thema dann an Tag Fünf, als morgens um 9 Uhr der Film "Tropa de elite" in die Favelas von Rio de Janeiro führte. Mit der Handkamera geht es actionreich in den Straßenkrieg, den sich Drogendealer mit einer Polizei-Eliteeinheit liefern. Jeder foltert, jeder tötet. Schnelle Schnitte, treibende HipHop-Beats und viel Blut - die dokumentierte Welt von Regisseur José Padilha ist grausam und hoffnungslos. Endlich ein politisches Statement - aber dafür den Goldenen Bären?

Mit dieser Wahl hat sich das sechsköpfige Gremium um Jury-Chef Constantin Costa-Gavras gegen den diesjährigen Kritiker-Favoriten entschieden. Das überragende Werk "There will be blood" von Paul Thomas Anderson belohnten sie zwar mit einem Silbernen Bären für den Regisseur und einen weiteren für die eindringliche Musik von Jonny Greenwood, doch der erwartete Erfolg blieb aus. Vielleicht hat der Film bei der kommenden Oscar-Verleihung mehr Glück. Nominiert ist er in acht Kategorien.

Mit Sally Hawkins als schrille Grundschullehrerin Poppy ging nach aller Trauer und Tragödie die Sonne auf. In der Komödie "Happy-Go-Lucky" von Mike Leigh bringt sie mit ihrer notorischen guten Laune nicht nur einen psychopathischen Fahrlehrer auf die Palme. Aber die besessene Liebenswürdigkeit, mit der diese zarte Person durch den Tag wirbelt, taugt durchaus zum Lebensmotto. Und der Silberne Bär bringt der britischen Darstellerin genügend Renommee, um in die erste Riege der Schauspielerinnen aufzurücken.

Ein Verdienst der diesjährigen Wettbewerbsbeiträge lag vor allem darin, dass sie den Blick auf Welten in ganz verschiedenen Ecken der Erde lenkten. So zeigte uns Majid Majidi in seinem Film "The Song of Sparrows", wie ein Familienvater in Teheran verzweifelt versucht, seine Kinder vor der Arbeit zu schützen. Tief berührt nahm Reza Naji als bester Darsteller den Silbernen Bären entgegen. Eine Entscheidung, die neben seiner Leistung eben auch diesen zarten Film ehrt.

Der von vielen als heimlicher Favorit gehandelte Elmar Wepper ging leider leer aus. Für den anrührenden Beitrag "Kirschblüten - Hanami" von Doris Dörrie gab es ebenso wenig eine Auszeichnung, wie für den zweiten deutschen Film "Feuerherz" von Regisseur Luigi Falorni. Dieser hatte sich auf der Berlinale vielen Vorwürfen erwehren müssen, er habe sich zu wenig differenziert mit dem Thema Kindersoldaten in Eritrea auseinandergesetzt.

Mit einem deutlichen politischen Bewusstsein ist Dokumentarfilmer Errol Morris ans Werk gegangen. "Standard Operating Procedure" zeigt noch einmal die unfassbaren Grausamkeiten, mit denen US-Soldaten im irakischen Abu-Ghraib-Gefängnis die Insassen quälten. Die Fotos von einst stellt er aktuellen Interview-Sequenzen mit Tätern wie Lynndie England gegenüber. Sprachlos entlässt einen die trotzige Selbstgefälligkeit, mit der sie noch heute nichts Ehrenrühriges in ihrer Behandlung der Menschen finden kann. Dafür gab es den Großen Preis der Jury.

Goldener Bär: "Tropa de Elite" von José Padilha (Brasilien)

Silberne Bären:

Großer Preis der Jury: "S.O.P. Standard Operating Procedure" von Errol Morris (USA)

Beste Darstellerin: Sally Hawkins ("Happy-Go- Lucky" von Mike Leigh), Großbritannien

Bester Darsteller: Reza Naji ("The Song Of Sparrows" von Majid Majidi), Iran

Beste Regie: "There Will Be Blood" von Paul Thomas Anderson (USA)

Herausragende künstlerische Leistung: Jonny Greenwood für die Musik in "There Will Be Blood"

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