Anastacia — die Stehauffrau

Das Stimmwunder aus Chicago präsentiert mit ihrem neuen Album „Evolution“ neue Songs zwischen Rock, Pop und Soul.

Mit dem Album „Evolution“ will Anastacia aufzeigen, dass sie sich persönlich weiterentwickelt hat. Schon zweimal in ihrem Leben bekam die Sängerin die Diagnose Brustkrebs, aber ihren Humor hat sie nicht verloren. Parallel zu ihrer Platte entwarf sie für Aldi Süd eine neue Modelinie im Glamrock-Style. Ein Gespräch über Kampf, Krankheit und ihren missglückten Auftritt in einer Castingshow.

Anastacia, Sie haben Ihr neues Album „Evolution“ in Schweden aufgenommen. Wie kam es dazu?

Anastacia: Das hatte etwas damit zu tun, dass ich für Aldi meine erste Modelinie konzipiert habe. Eigentlich sollte sie in der Saison Frühling/Sommer 2018 rauskommen. Dann hätte ich mich vorher auf mein Album und meine Tournee konzentrieren können. Aber ich verstand mich mit den Aldi-Leuten so toll, dass wir die Modelinie in Rekordzeit entworfen haben. Und dann brauchte ich noch Begleitmusik in Form einer Platte. Also fing ich im März, während einer Englandtournee, an zu schreiben. Zwischendurch flog ich immer wieder nach Schweden, um an Songs zu arbeiten. Ich fühlte mich wie ein Roadrunner und zuweilen überfordert, aber die Songs wollten plötzlich aus mir heraus.

Bisher haben Sie Ihre Platten in Amerika aufgenommen. War es schwer, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen?

Anastacia: Ich habe bisher auch sämtliche Songs in meinem Haus geschrieben. Normalerweise benutze ich mein eigenes Auto, wenn ich an einer Platte arbeite. Ich mag es, wenn es entspannt zugeht. Diesmal fühlte es sich aber an, als würde mir jemand eine Pistole auf die Brust setzen. Ich muss darüber lachen, weil ich noch immer nicht begreife, wie ich das alles geschafft habe. Ich hätte auch grandios scheitern können. Schlimmstenfalls hätte es zu dieser Modelinie keine Platte gegeben. Das wollte ich aber unbedingt vermeiden.

Sie gelten als Kämpfernatur, spätestens seit Sie den Krebs besiegt haben.

Anastacia: Ich bin ein Boxer im Regen! Wenn ich an etwas glaube, dann stehe ich voll dahinter, aber ohne jemanden von meiner Meinung überzeugen zu wollen. Als ich die Diagnose Brustkrebs bekam, habe ich das Wort „Cancer“ (Krebs) umgeändert in „Can“ (kann). Die ersten drei Buchstaben fand ich super, die restlichen drei brauchte ich nicht.

Die Musik auf Ihrem Album „Evolution“ verströmt Kraft. Hat der Krebs Sie am Ende noch stärker gemacht?

Anastacia: Ich bin stärker geworden aus den verschiedensten Gründen. Das hat etwas zu tun mit Lebenserfahrung, dem Wandel in der Musikindustrie, der gesellschaftlichen und weltpolitischen Entwicklung und meiner eigenen Gesundheit. All das hat mein Selbstbewusstsein gestärkt. Manche Menschen mit meinen Erfahrungen werden immer wütender oder frustrierter, aber man kann auch einen positiven Weg finden, damit umzugehen. Vielleicht habe ich ja vom Buddismus gelernt.

Was haben Sie Neues über sich herausgefunden, als Sie das Album machten?

Anastacia: Ich war wirklich von mir selbst beeindruckt, dass ich in solch kurzer Zeit ein Album machen kann. Ich glaube, diese Platte zeigt auf, wie glücklich ich gegenwärtig bin. Man muss mich nicht persönlich treffen, um das zu spüren. Ich war in London, als die furchtbaren Anschläge in Manchester und London passierten. Das hält mich aber nicht davon ab, aufzutreten. Die Terroristen glauben, sie könnten uns schwächen, indem sie uns Angst einflößen. Ich lasse mich aber nicht einschüchtern. Ich erinnere mich, wie ich direkt nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wie ein Zombie durch Manhatten lief. Es fuhren keine Busse mehr und man konnte eine Stecknadel fallen hören. Diese Leere führte dazu, dass die unterschiedlichsten Menschen zusammenfanden. Ich wünschte, das wäre immer so. Aber anscheinend brauchen wir erst eine Tragödie, um wirklich menschlich miteinander umzugehen. Meine Platte sagt alles darüber, wer ich bin und was ich denke. Ich habe eigentlich schon immer meine Meinung laut und deutlich gesagt. Aber stets auf freundliche und positive Weise. Ich bin nicht aggressiv und ich möchte auch nicht, dass meine Fans es sind.

In dem Song „Why?“ stellen Sie sich die Frage, warum die Menschheit sich selbst und ihrem Planeten derartige Scheußlichkeiten antut. Ein optimistischer oder ein pessimistischer Song?

Anastacia: Für mich ist er optimistisch, auch wenn darin etwas Pessimismus mitschwingt. Es gibt auf diese Frage ja keine befriedigende Antwort. Man darf nicht aufhören zu fragen. Wenn du dich nur noch beschwerst über die Scheußlichkeiten dieser Welt, kommst du nicht weiter. Zum Glück gibt es da draußen Millionen Menschen, die sich für die Gemeinschaft engagieren. Wie eine Stimme zusammenzustehen, bedeutet etwas. Man muss denen etwas entgegensetzen, die andere ausgrenzen. Der Ku Klux Klan zum Beispiel hätte am liebsten eine weiße Nation. Aber wer weiß schon exakt, von wem er abstammt? Die Indianer waren jedenfalls die ersten auf dem amerikanischen Kontinent, dann kamen die Mormonen, die Franzosen, die Deutschen. Ich bin mir absolut sicher, sie alle hatten Sex miteinander. Es gibt auf dieser Erde keinen einzigen reinrassigen Menschen.

Kürzlich schleusten Sie sich undercover mit Perücke und Baskenmütze bei der schwedischen Castingshow „Idol“ ein. Doch die Jury machte Sie für Ihren Gesang fertig. Hatten Sie mit sowas gerechnet?

Anastacia: Ich war natürlich überrascht. Mein Ziel war, die Jury nicht merken zu lassen, dass ich es bin. Deshalb machte ich mich zurecht wie jemand, der gerade eine Bank ausgeraubt hat. Das wurde alles gefilmt. Als ich nach einer kurzen Pause zurückkam und mich als Anastacia zu erkennen gab, war die Jurorin ziemlich beschämt. Sie dachte, ich wäre sauer auf sie. War ich aber nicht, es hat mir sogar Spaß gemacht. Ich glaube, meine Nervosität und mein Aussehen haben sie sehr abgelenkt, so dass ihr Urteil lautete: „Du bist extrem talentiert, klingst fast wie Anastacia, aber niemand kann so singen wie Anastacia. Du bist viel zu nervös. Es ist zu spät für dich.“

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