Abba: Und auf einmal waren sie weg

Keine Band verkaufte in den 70ern mehr Platten als Abba. Trotz anhaltenden Erfolges verschwanden die vier Schweden vor 25 Jahren einfach. Ohne Abschied. Ein Protokoll.

Es fehlte der Schlussakkord. Ein hymnisches Fazit, so wie die Beatles es 1970 gezogen hatten, als sie mit "Let It Be" ihre Trennung vor den Augen der Weltöffentlichkeit zelebrierten. Abba hingegen, die kommerziell erfolgreichste Popband der 70er, verschwand 1982 einfach von der Bildfläche. In erster Linie, weil Agnetha, Benny, Björn und Anni-Frid (Frida) sich selbst darüber nicht im Klaren waren, dass es kein gemeinsames Album mehr geben würde. Die unablässige Hitmaschinerie, sie verebbte sang- und klanglos zwischen New-Wave-Romantik und Synthesizer-Pop der frühen 80er.

Auch wenn der genaue Zeitpunkt sich im Nachhinein nicht mehr bestimmen lässt, war es eine Trennung - und zwar auf Raten. Persönlich hatten sich die vier Mitglieder bereits seit geraumer Zeit auseinander dividiert. Björn Ulvaeus, der inoffizielle Kopf der Gruppe, und Agnetha Fältskog, die prägnante Stimme der weiblichen Bandhälfte, machten 1978 den Anfang und reichten nach knapp zehn Jahren Beziehung die Scheidung ein. Da Abba sich zu diesem Zeitpunkt noch immer auf dem lang gezogenen Zenit ihres Erfolges befanden, ließ sich das private Dilemma nicht verbergen. Um den Spekulationen der Klatschpresse vorzubeugen, gingen die beiden in die Offensive, gaben bereitwillig Interviews, bekräftigten immer wieder, dass man sich im Guten getrennt habe. Und trotzdem entstand das schiefe Bild der verprellten Blondine, die vom liebestollen Casanova sitzen gelassen wurde.

Als ob sie den Journalisten deren eigene Legendenspinnerei um die Ohren knallen wollten, nährten Abba die Spekulationen um den bemitleidenswerten Rauschgoldengel Agnetha musikalisch. 1980, in der Vorbereitungsphase für das siebte Studioalbum "Super Trouper", werkelten Ulvaeus und Benny Andersson versessen an einem Stück, das zum unumstrittenen Meisterwerk unter ihren zahlreichen Gesellenstücken werden sollte.

In "The Story Of My Life", so der vorläufige, pathetische Titel, kristallisierte sich für Songtexter Ulvaeus mit jeder neuen Überarbeitung ein Beziehungsfazit heraus, der bittere Monolog einer unglücklich Verlassenen, den Fältskog schließlich mit sonorer Nüchternheit einsang.

Als Pioniere des Videozeitalters schienen sie mit der Bebilderung dieses erneuten Nummer-Eins-Erfolges noch einen draufsetzen zu wollen. Isoliert von der Restgruppe inszenierte der spätere Hollywood-Regisseur Lasse Hallström ("Chocolat") Agnetha in ungeschönter Großaufnahme. Für die Fangemeinde bestand kein Zweifel mehr: Die Frau leidet. Und die Welt litt mit. Als "The Winner Takes It All" wurde es Abbas letzter globaler Hit. In den USA zumindest spielten die Schweden nach dem Sommer 1980 keine Rolle mehr.

In Europa lief das Hitgetriebe allerdings erstmal weiter wie geschmiert. Ungeachtet ihrer privaten Zerwürfnisse - mittlerweile gingen auch Andersson und Frida Lyngstad getrennte Wege - verlief die künstlerische Zusammenarbeit professionell bis freundschaftlich. Doch die perfekte Symmetrie, die auch ihr legendäres Band-Logo illustrierte, war gestört.

Als 1981 ihr letztes Album "The Visitors" auf den Markt kam, waren Abba auf dem Cover erstmals nicht als Einheit abgebildet, sondern als Individuen, jeder in sich gekehrt und in verschiedene Richtungen blickend. Auch die Songtexte blieben selbstreferentiell: "One Of Us", ihre letzte Nummer-Eins in Deutschland, schürte noch einmal den Agnetha-Mythos, "When All Is Said And Done" schien mit der Botschaft, dass bereits alles gesagt und getan sei, ein endgültiges Ende einzuläuten.

Doch Abba dachten gar nicht daran. Im Studio wurde 1982 bereits an einem neunten Album gebastelt. Die Arbeiten kamen allerdings ins Stocken. Ulvaeus und Andersson sahen eine Chance, ihr lang gehegtes Musical-Projekt "Chess" mit Lloyd-Webber-Texter Tim Rice zu verwirklichen, Fältskog und Lyngstad nahmen Solo-Alben auf.

Die 80er mit ihrer überkandidelten Elektro-Versessenheit und der taumelnden Nabelschau-Euphorie schienen Abba auch nicht sonderlich zu vermissen. Lyngstad versuchte zwar, auf den Zug aufzuspringen, indem sie sich für ihre Solo-Karriere den Look der Retorten-Rockröhre Pat Benatar zulegte und als Produzenten Sanftsäuseler Phil Collins engagierte. Dass sie im Musikgeschäft ein Auslaufmodell war, merkte die konservative Seele aber, als es sie befremdete, dass Collins während der gesamten Produktionsphase ein regelmäßg leeres Whiskey-Glas in der Hand hielt.

1992 kamen Abba noch einmal wieder, allerdings nur als kollektive Erinnerung in Form eines Greatest-Hits-Albums, dem erfolgreichsten, das jemals auf den Markt kam. Plötzlich merkte die Welt, was sie an ihren scheinbar simplen, aber letzlich komplex strukturierten Songs verloren hatte.

Gründung Genauso allmählich, wie sie verschwanden, waren Abba auch entstanden. Fältskog und Lyngstad machten sich in Schweden seit 1969 als Solo-Künstlerinnen einen Namen, Ulvaeus und Andersson tingelten leidlich erfolgreich mit unterschiedlichen Bands über die Lande. Die Liebe führte sie schließlich zusammen, ab 1972 traten sie auch gemeinsam auf. Bei ihrer ersten Teilnahme am nationalen Grand-Prix-Vorentscheid war ihr sperriger Bandname noch "Björn & Benny, Agnetha & Anni-Frid". Als Abba traten sie erstmals 1974 auf, dann mit "Waterloo", dem Song, der ihnen den Grand-Prix-Sieg und einen weltweiten Erfolg einbrachte.

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