80er-Jahre-Pop reloaded - es funktioniert

Berlin (dpa) ­ Popmusik der 80er Jahre, das ist für viele Fans ein Graus oder bestenfalls fade Erinnerung: Synthie-verseucht, selbstverliebt, künstlich. Doch nicht erst mit dem Comeback von The Human League oder OMD kehrt jetzt das Interesse an den Glitzerklängen dieses ungeliebten Jahrzehnts zurück.

The Horror The Horror (Schweden), Metronomy (Großbritannien) und Destroyer (USA) sind drei Bands, die künstlerisch wertvoll mit Eighties-Sounds flirten.

Auf den Spuren des großen Pop-Sommers 1982

Der Bandname The Horror The Horror klingt erstmal merkwürdig und irgendwie düster, aber mit Gothic oder Black Metal haben die fünf jungen Schweden um Sänger Joel Lindström nicht das Geringste zu tun. Nachdem sie auf ihrem Debüt von 2006 noch den 60er und 70er Jahren in einer Indierock-Variante gehuldigt hatten, geht das Ende April erschienene dritte Album „Wilderness“ (Tapete) nun einen Schritt weiter Richtung Pop-Moderne.

Der Titelsong marschiert noch recht kantig los, ehe ein euphorischer 80er-Jahre-Refrain die Absichten des Quintetts klarer werden lässt. Der smarte, funky Gitarren- und Melodie-Pop von ABC, Orange Juice, Haircut 100, Style Council, Aztec Camera oder Prefab Sprout ist der Maßstab, allerdings zum Glück nicht in einer schnöde abgekupferten Version, sondern liebevoll modernisiert.

„Honestly“ groovt äußerst charmant, ehe „Believe In Magic“ sich mit einem Van-Halen-Gedächtnisriff etwas zu sehr dem Eighties-Mainstream annähert. Mit The Forest, dessen Gitarrenmelodie an den großen Edwyn Collins erinnert, sind The Horror The Horror jedoch wieder bestens in der Spur und bleiben es auch für den Rest dieses Albums (besonders hübsch: Feel It Burning Inside). Der luxuriöse Pop-Sommer von 1982 lebt weiter!

Cooler Synthie-Funkpop von der „englischen Riviera“

Auf der Insel groß abgefeiert wurde das britische Quartett Metronomy bereits für sein zweites Album „Nights Out“. Mit dem im April auch hierzulande veröffentlichten Nachfolger „The English Riviera“ (Because/Warner) gelingt der Band um Sänger und Multiinstrumentalist Joseph Mount nun eine Verfeinerung ihres digitalen, tanzbaren Sommerpops. Westcoast-Musiker wie Fleetwood Mac oder Steely Dan in ihrer 80er-Ausprägung standen für Mount ebenso Pate wie beispielsweise die Franzosen-Popper Air oder Phoenix.

Metronomy lassen sich nicht so leicht in irgendeine Schublade packen. Ihnen gelingen einige intelligente, eingängige Elektro-Groove-Songs („Everything Goes My Way“, „She Wants“, „Love Underlined“) und ein an New Order erinnernder Club-Stampfer („The Bay“), aber sie leisten sich eben auch eine träumerische Ballade wie „Trouble“ oder den Samba „Some Written“ , in denen Mounts Falsettstimme zur Geltung kommt.

Insgesamt ist „The English Riviera“ ein modernes, elegantes Funkpop-Album geworden, das die Bezüge zu den 80ern nicht leugnet, ohne aber wie etwa das epigonale Duo Hurts nur auf einer Retro-Welle mitzuschwimmen. So macht die Aufarbeitung einer oft verkannten Musik-Ära Spaß.

Gar nicht kaputt ­ das Meisterwerk von Destroyer

Musikgazetten in den USA und Großbritannien schwärmen seit Wochen von „Kaputt“ (Merge Records/Import), dem bereits neunten Album des kanadischen Exzentrikers Dan Bejar alias Destroyer.

Dass dieses Meisterwerk des Sophisticated Pop in Deutschland immer noch nur schwer erhältlich ist, lässt sich kaum erklären. Bejars sanft-nasaler Gesang, die klare Folk-Stimme der wunderbaren Sibel Thrasher als weibliches Gegenstück, hochkomplex pulsierende Keyboard- und Gitarrenmelodien, traumhafte Holz- und Blechbläser-Sprengsel - all das hätte auch in Deutschland viele Hörer verdient.

Namen wie Brian Ferry/Roxy Music, Scritti Politti oder Hall & Oates geistern durch die Rezensionen zu diesem tollen Album. Alles nachvollziehbar, aber der selbsternannte Zerstörer schafft doch etwas ganz Eigenes, eine postmoderne, grenzenlos freie Version von Eighties-Pop. Mit dem epischen Flöten-Einstieg zu „Suicide Demo For Kara Walker“ ist Bejar dann sogar ganz nah bei Paddy McAloon und seinen hypersensiblen Prefab-Sprout-Songs der 90er Jahre.

Ob „Chinatown“, „Song For America“ oder das elfminütige „Bay Of Pigs“ zum Abschluss - die Songs von „Kaputt“ sind von selten gehörter, zugleich einlullender und aufputschender Schönheit.

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