Kölner Museum Wallraf-Richartz Museum Wallraf-Richartz: Der junge Tintoretto als Star von Venedig

Das Kölner Museum Wallraf-Richartz widmet sich dem Frühwerk des großen Renaissance-Malers, der als Jacopo Robusti zur Welt kam. Der Titel der Ausstellung lautet „A Star was born“.

Ab sofort für alle zu sehen: das Bild „Porträt des Nicolo Doria“ (1545) des Malers Jacopo Tintoretto in der Ausstellung "Tintoretto - A Star was Born" im Wallraf-Richartz-Museum in Köln. Foto: dpa

Ab sofort für alle zu sehen: das Bild „Porträt des Nicolo Doria“ (1545) des Malers Jacopo Tintoretto in der Ausstellung "Tintoretto - A Star was Born" im Wallraf-Richartz-Museum in Köln. Foto: dpa

Foto: Rolf Vennenbernd

Köln. Das Venedig der Renaissance könnte ein Vorbild für das Europa der Gegenwart sein. Obwohl das Mittelmeer zur muslimischen See mutierte und das absolutistische Spanien wie das Osmanische Reich tüchtig auftrumpften, behielten die Dogen im Stadtstaat einen klaren Kopf. Anstatt Obergrenzen für Einwanderer festzulegen, öffneten sie die Markus-Republik den unterschiedlichsten Menschen und garantierten ihnen Freiheit. Das republikanische Modell führte zu einer beispielhaften kulturellen Blüte.

Nicht nur Handwerker, sondern Gelehrte wie Erasmus von Rotterdam, Dichter wie Pietro Bembo, Maler wie Tizian und Veronese, Architekten wie Palladio siedelten sich an. Dies ist das Milieu, in dem der Färbersohn Jacopo Tintoretto (1518/19-1594) aufwuchs, dem das Wallraf-Richartz-Museum am Vorabend seines 500. Geburtstags eine Ausstellung widmet.

Unter dem reißerischen Titel „A Star Was Born“ (Ein Star wurde geboren) beleuchtet der Tintoretto-Spezialist Roland Krischel, Leiter der Mittelalterabteilung am Haus, mit seinem Pariser Partner Michel Hochmann aus Paris den Zeitraum von 1537 bis 1555. Eine ungemein spannende Zeit, gehört doch „das Färberlein“, das als Jacopo Robusti zur Welt kam, neben Tizian und Veronese zu den größten italienischen Malern des 16. Jahrhunderts. Ein hinreißendes Frühwerk wird in 74 hochkarätigen Leihgaben, darunter 36 Tintorettos präsentiert.

Mit den Farben des Vaters soll Tintoretto schon als Kind verblüfft haben. Mit 19 oder 20 Jahren (das Geburtsjahr ist unklar) mietete er eine eigene Werkstatt und bediente anfangs als Subunternehmer Maler wie Tizian. Dabei hatte er es nicht leicht, sich im Konkurrenzkampf durchzusetzen.

Was den Kuratoren in Köln und Paris auffällt, ist die Intelligenz des jungen Mannes, seine Einfälle und Erfindungen. Die zentrifugale Anordnung der Figuren ist glanzvoll. Wie der zwölfjährige Jesus seine frühreife Weisheit gegenüber den in dicken Folianten blätternden Schriftgelehrten verteidigt, so scheint Tintoretto seine Energie und seinen Ehrgeiz eingesetzt zu haben, um Dramatik zu erzeugen und Aufträge zu ergattern.

Er liebt die realistische Darstellung, aber verformt die Gestalten in extremer Untersicht, so dass die Gesichter fast unsichtbar werden. Den Jupiter macht er zum Feuergott, der seine Semele derart zerzaust, dass von ihr nur noch zwei Brüste, stramme Waden und immense Haarbüschel übrigbleiben. Er schreckt auch vor Kulissenzauber nicht zurück, entwirft Kostüme und sorgt für szenische Effekte. So kommt Jean-Paul Sartre zur Auffassung, er sei der erste Filmregisseur der Kunstgeschichte. Kurator Krischel vergleicht ihn mit einem jungen Wilden.

In der Mitte des 16. Jahrhunderts führt der Wettstreit zwischen Malerei und Skulptur bei Tintoretto zu einer fast vollplastischen Ausprägung der Gestalten. Er besorgt sich Gipsabgüsse antiker Skulpturen und Repliken nach Michelangelo, um einen plastischen Stil auszubilden. Die Figuren springen fast aus dem Bildraum, als wolle ihr Schöpfer die Flachware der Leinwand überwinden.

Erstaunliche Porträts entstehen parallel dazu. Das Alter Ego ist ein selbstbewusster, junger Wuschelkopf, der mit wachem Auge auf sein Gegenüber blickt. Tintoretto huldigt keinem Machthaber, sondern Freunden und Förderern, Kollegen, Schriftstellern und Musikern. Porträts alter Männer werden zu seinem Spezialgebiet. Sie gehören in der Sensibilität des Ausdrucks zu seinen Höchstleistungen. Frauen kommen seltener ins Bild, und wenn, dann eher als Verführerinnen und Opfer, Mägde, Musen und möglicherweise Prostituierte.

Was auch immer dieser junge Mann tat, er verfolgte genaue Strategien, wollte die Kunst von Tizian, Raffael, Michelangelo und Romano toppen, so dass der Kunsthistoriker Erasmus Weddigen erklärt: „Ein Star war geboren“. Es wurde der Titel der Schau.

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