Museum mit rasendem Pferd

Der französische Milliardär Pinault ließ sich die Punta della Dogana von Stararchitekt Tadao Ando umbauen.

Venedig. François Pinault, Milliardär aus Frankreich und der vielleicht mächtigste lebende Kunstsammler der Welt, schlug abermals in Venedig zu. Nachdem er 2006 den Palazzo Grassi als Privatmuseum am Canal Grande eröffnete, wählte er jetzt die Punta della Dogana di Mare, wo sich der Canal Grande und der Guidecca Canal treffen. Dort leaste er für 30 Jahre die venezianische Zollbehörde aus dem 17.Jahrhundert mit der Fortuna von Bernardo Palcone auf dem Dach.

Die Verhandlungen mit der venezianischen Regierung führte ihm sein Mann im Palazzo Grassi, Jean-Jacques Aillagon, einst Präsident des Centre Pompidou und französischer Kulturminister. Pinault und Aillagon überzeugten die Stadt, dass der Stern des Konkurrenten Guggenheim unter Direktor Tom Krens gesunken war, während Pinault vom Kunstmagazin ArtReview auf Platz eins der hundert einflussreichsten Persönlichkeiten der zeitgenössischen Kunst gesetzt wurde. Das imponierte. In nur 14 Monaten Bauzeit verwandelte Stararchitekt Tadao Ando die heruntergekommene Immobilie in ein Avantgarde-Museum mit 5000 Quadratmeter Ausstellungsfläche.

Der 73-Jährige liebt den Luxus in der Kunst wie im Beruf. Seiner Firmengruppe gehören Marken wie Gucci, Yves Saint Laurent, Bottega Veneta, das Spitzenweingut Chateau Latour, der bretonische Erstliga-Fußballclub Stade Rennes und die Firma Puma, dazu eine Zeitung, ein Magazin, ein Theater und Anteile am Auktionshaus Christies. Hinzu kommen 2500 Kunstwerke von Andy Warhol über Jeff Koons bis zu Damien Hirst.

Im Gegensatz zum Bau für die Langen Foundation in Neuss durfte Ando in Venedig nicht schalten und walten, sondern musste entkernten, Ziegelsteine und Dachstuhl freilegen. Leider verzichtete er jedoch nicht auf glatt polierte Betonmauern mit Armierungslöchern, die brutal die Sicht versperren. Am gelungensten sind die bis zu den Dachsparren freigelegten Räume, der Weihe-Raum etwa für Sigmar Polke oder die Eingangszone mit Maurizio Cattelans ausgestopftem Pferd, das mit kräftigem Hals und angewinkelten Vorderbeinen gegen die Mauer anrennt.

Pinault versammelt die Kunstmarkt-Trophäen der letzten Zeit. Dazu gehören Mike Kelleys Zukunfts-Modelle aus dessen Kandor-Serie: Sie leuchten unter mundgeblasenen Glasglocken magisch im Dunkeln auf. Superman hätte seine Freude am schillernden Ensemble, gilt doch das imaginäre Kandor als Hauptstadt seines Heimatplaneten Krypton.

Kultkünstler Takashi Murakami darf sein bisher größtes Bild in gold-bunt strahlendem Japanpop aufbauen. Im letzten Mai brachte es sein überlebensgroßer "Einsamer Cowboy" mit Sperma-Lasso bei Sotheby’s auf 15,2 Millionen Dollar, jetzt steht er neben dem Manga-Weib mit ballon-prallem Busen.

2004 war die "Hölle" ("Hell") der Chapman-Brüder Jake und Dinos verbrannt, nun sind die 30000 kleinen Figuren mit ihren fürchterlichen Gräueltaten unter dem Titel "Fucking Hell" wieder auferstanden. Das Remake der mordenden Schergen, wimmelnden Totenköpfe, Skelette und Nazi-Panzer in den Vitrinen übersteigt jede breughel’sche Fantasie. Cooler ist die kolossale, graue Wolke von Huang Yong Ping, aus der Fledermäuse auf Fußballspieler mit Schuss-Westen fallen. In sich stimmig und ironisch wie immer wirken die neun Leichentücher aus Carrara-Marmor von Maurizio Cattelan.

Der Düsseldorfer Bildhauer Thomas Schütte gehört zu Pinaults Favoriten. Diesmal präsentiert er drei gebeugte Bettlertypen mit Nachkriegs-Decken über den eisernen Brustkästen. In der Nachbarschaft lässt sich Marlene Dumas bewundern, aus deren Werkstatt das Porträt von Dora Maar neu in die Sammlung gekommen ist.

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