Michael Kunze über „Tanz der Vampire“: „Der Mythos hat viel mit Sexualität zu tun“

In Michael Kunzes „Tanz der Vampire“ geht es um Liebe und Tod. Im WZ-Interviw spricht der Schriftsteller und Liedtexter darüber wie das Musical entstand, wie die Arbeit mit Roman Polanski war und was den Erfolg des Musicals ausmacht.

Michael Kunze über „Tanz der Vampire“: „Der Mythos hat viel mit Sexualität zu tun“
Foto: Stage Entertainment

Herr Kunze, wie sind Sie zum Musical „Tanz der Vampire“ gekommen?

Michael Kunze: Den Film habe ich schon immer geliebt. Die Idee, daraus ein Musical zu machen, kam vom Produzenten des Films, Andrew Braunsberg. Es hat mehr als zehn Jahre gedauert, bis diese Idee in die Realität umgesetzt werden konnte. Das geschah in den 90ern, als „Elisabeth“ als Musical mit internationalem Niveau in Wien seine ersten Erfolge feierte. Braunsberg nahm mit mir Kontakt auf und ich war froh, gefragt zu werden.

Waren Sie von Anfang an vom Erfolg der Idee überzeugt?

Kunze: Nein, zu Beginn war ich skeptisch, da der Film eine Parodie auf das Genre Horrorfilm war und nur über eine lose Handlung mit verschiedenen Horrorfiguren verfügte. Es brauchte erst eine gute Geschichte, um aus dem Film ein Bühnenstück zu machen. Und mit diesem Gedanken bin ich dann zu Roman Polanski nach Paris gereist. Er hatte keine Ahnung von Musicals und gab mir deshalb freie Hand beim Schreiben.

Und dann entstand die Geschichte zum Musical . . .

Kunze: Ich habe ein detailliertes Exposé verfasst mit einer sinnvollen Bühnengeschichte, die mich auch persönlich interessiert hat. Es geht darin ums Erwachsenwerden. Die amoralische und rücksichtslose Welt der Erwachsenen wird durch die Vampire repräsentiert. Der Mythos der Vampire selbst hat sehr viel mit Sexualität zu tun, wenn junge Menschen das für sich entdecken. Im Stück ist es der junge Begleiter des Professors, der sich in das junge Mädchen verliebt. Sein Kontrahent ist der erfahrene Graf, der das Mädchen zum Ball der Vampire einlädt, wo sie freiwillig ihr Blut zur Verfügung stellen soll. So entsteht eine interessante Dreiecksbeziehung.

Wie hat Polanski reagiert?

Kunze: Ihm hat die Geschichte so gut gefallen, dass er selbst die Regie für das Musical übernehmen wollte. Mit Jim Steinman haben wir den passenden Komponisten gefunden — für mich ist er der Wagner der Popmusik. Über einen Zufall konnte ich den Kontakt zum ihm in New York aufbauen. Auch er war sehr an der Vampirwelt interessiert. Er gab mir einen Koffer mit Demobändern, ich sollte daraus mit den Texten ein Musical basteln. Der Großteil war nicht veröffentlicht, es gab aber auch Songs wie „Total Eclipse of the Heart“, die ich unbedingt dabei haben wollte. Es ist das Leitmotiv des Musicals. Drei bis vier Stücke wurde noch extra für das Stück komponiert.

Wie lange hat das Projekt bei der Umsetzung gebraucht?

Kunze: Etwa zwei Jahre. Bei „Elisabeth“ waren es sieben. Insofern ging alles eher schnell. Dabei ist Jim sehr langsam bei seiner Musik. So habe ich unbedingt ein richtig kitschiges Liebeslied für eine Szene gebraucht. Ich habe einige Zeilen geschrieben, danach saßen wir gemeinsam am Klavier. Bis die Melodie stand, hat es aber noch mal gut drei Wochen gedauert. Beim Musical geht es oft auch um gute handwerkliche Arbeit, da muss alles passen. Aber es geht auch schneller, aktuell schreibe ich mit Albert Hammond das Musical „Matterhorn“, der braucht für einen Song nur fünf Minuten oder die Musik funktioniert gar nicht.

Wie war die Arbeit mit Polanski?

Kunze: Es war nicht immer einfach, einen Filmemacher mit der Dramaturgie eines Musicals zusammenzubringen. So wurde er in die Musik erst einbezogen, als die Stücke fertig waren. Aber teilweise wollte er Stücke wie den heutigen Hit „Unstillbare Gier“ ganz entfernen, was Jim partout verweigert hat. Da war ich oft als Mittler zwischen den beiden im Einsatz. Am Ende konnten wir uns auf Kürzen einigen.

Das war also nicht immer ganz einfach?

Kunze: Polanski ist ein Genie, es ist aber auch ein Stück weit Kind geblieben. Es ist sehr spontan und hat den Charme und den Trotz eines Kindes. Es ist ein Erlebnis, mit ihm zu arbeiten.

Gibt es Beispiele dafür?

Kunze: Einmal hat er eine aufwendige Durchlaufprobe gestoppt, weil in einer Szene ein Handtuch nicht so auf der Wanne lag, wie er es wollte. Er konnte es nicht ertragen, so einen Fehler zu sehen. Außerdem hat er auf der Bühne immer alles vorgespielt und den beispielsweise Darstellern gezeigt, wie man sich richtig in einen Sarg legt. Das war schon ziemlich komisch.

Was macht den Erfolg des Musicals aus?

Kunze: Es hat einen Hintergrund und eine Tiefe, und die Leute spüren das auch. So wird das Thema Sexualität im Zeitalter von Aids nicht als beängstigendes Problem dargestellt. Das gilt auch für das Blut bei den Vampiren. Der Tod präsentiert sich ebenfalls auf eine heitere Weise und hat eine sexuelle Dimension. Das macht gerade den Erfolg bei jungen Leuten aus. Es ist auch wichtig, nicht zielgerichtet auf ein Publikum zu schreiben. Das, was ich schreibe, muss mir gefallen, sonst funktioniert es nicht. Ich schreibe meist nicht viel in die Regieanweisungen und setze mehr auf das Team, welches das Stück auf der Bühne umsetzt. Polanski kann man da voll vertrauen.

Sie sprachen von Sexualität und Tod. Ist das Musical auch für Kinder geeignet?

Kunze: Ja. Das Ganze ist weder gruselig noch besonders sexy. Es wird so übertrieben, dass man es nicht ernstnehmen kann. Es ist ein sehr lustiges Musical.

Sie haben für Udo Jürgens und andere Schlagergrößen viele Stücke geschrieben. Wie ist die Arbeit hier im Vergleich zum Musical?

Kunze: Ich war ja immer der Ghostwriter für Menschen wie Udo. Und meine Songs haben wohl so gut gepasst, dass die Fans immer davon ausgegangen sind, dass sie auch von ihm stammen. Beim Schlager und beim Musical schreibt man Texte, die genau für die jeweiligen Charaktere passen müssen. Außerdem müssen Lieder in beiden Bereichen auch gut klingen. Sie müssen entsprechend gebaut werden. Deutsch hat da oft Vorteile, die man im Vergleich zum Englischen nicht wahrnimmt. Es ist eine sehr dramatische und bildhafte Sprache. Sie hat mehr Konturen und bringt Inhalte oft knackiger herüber.

Wollten Sie da nicht auch für das Udo-Jürgens-Musical schreiben?

Kunze: Ich wurde von ihm gefragt, habe aber abgelehnt. Ich mag keine Jukebox-Musicals, in denen Hits nur mit einem Handlungsfaden verbunden werden. Für mich ist Musical eine Bühnenform, die Dramen mit Musik verbindet. Etwas, was bei modernen Opern komplett verlorengegangen ist. Heute gibt es nur noch die Avantgarde-Oper als Auftragsarbeit. Das Musical ist das einzige lebendige Musiktheater, das wir heute noch haben. Es ist wichtig, dieses Genre besser zu pflegen. Allerdings nennt sich heute fast alles Musical, für mich sind die Melodien und die Handlung bei diesem Genre das entscheidende Qualitätsmerkmal. Dazu kommen ausdrucksstarke Darsteller mit Kraft und Energie.

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