Maler Jörg Immendorff nach langem Nervenleiden gestorben

  • Fotos Der Maler und Kunstprofessor Jörg Immendorff ist am Montag nach langem Leiden im Alter von 61 Jahren in seinem Haus in Düsseldorf gestorben. Das teilten seine Ehefrau Oda Jaune-Immendorff und der behandelnde Neurologe Thomas Meyer in Düsseldorf mit.

    Düsseldorf (dpa/lnw). Immendorff litt seit Jahren an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) und wurde auch an der Charité in Berlin behandelt. Der dortige Spezialist Meyer sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa, in den Morgenstunden sei ein plötzlicher Herzstillstand bei Immendorff eingetreten.

    Immendorff, am 14. Juni 1945 im niedersächsischen Bleckede geboren, zählte zu den bekanntesten Malern in Nachkriegsdeutschland. Insbesondere mit dem Bilderzyklus „Café Deutschland“ aus den späten 70er Jahren, in dem er die deutsche Teilung in expressiver Malweise anprangerte, eroberte sich der ehemalige Maoist einen Platz in der jüngeren Kunstgeschichte. Seine letzten, oft kleinfigurigen Arbeiten, tendierten zum Surrealismus. Mit dem häufigen Motiv des „Maleraffen“, der einen Pinsel hält, ironisierte er in vielen Bildern die eigene Zunft.

    Gemeinsam mit seiner jungen Ehefrau zeigte er sich Jahre lang gerne auf den Partys der Society im Lande und lieferte auch der Regenbogenpresse Lesestoff. Die Tatsache, dass Immendorff mit einer gehörigen Menge Kokain und einer Reihe von Prostituierten in einem Düsseldorfer Nobelhotel von der Kripo erwischt worden war, tat seinem künstlerischen Ruf keinen Abbruch. Der frühere Beuys-Schüler erhielt eine Bewährungs- und eine hohe Geldstrafe, was auch außerhalb der Kunstszene für Schlagzeilen sorgte.

    Auf der Rangliste der 100 bedeutendsten Künstler der Welt im „Kunstkompass“ des Wirtschaftsmagazins „Capital“ konnte sich der Düsseldorfer Kunstprofessor mit Hang zu „erotischen Inszenierungen“ um zehn Plätze ins Mittelfeld vorschieben. Die Zahl kleinerer und größerer Ausstellungen im Lande, auf der oft lediglich seine Grafik präsentiert wurde, mehrten sich merklich. Zuletzt war im Winter 2005 eine international beachtete Ausstellung des Künstlers in der Neuen Nationalgalerie in Berlin gezeigt worden. Den angesehenen Goslarer Kaiserring, eine der begehrtesten deutschen Auszeichnungen für Künstler, hatte Immendorff Anfang Oktober 2006 wegen einer schweren Lungenentzündung nicht mehr selbst entgegen nehmen können.

    Mit seiner Krankheit, die vor dem Erstickungstod zunächst Arme und Beine lähmt, ging Immendorff in den letzten Jahren ganz offen um. Auch zur Hilfe weniger prominenter ALS-Patienten wolle er „alle Bataillone in die Schlacht werfen“, sagte Immendorff. Er stiftete Geld für ein Forschungsstipendium an der Berliner Charité zum Kampf gegen ALS und bekannte sich in der Boulevardpresse zu seinen „Angstschüben“ angesichts eines von den Ärzten lang vorhergesagten qualvollen Endes. Gemeinsam mit dem Theaterprovokateur Christoph Schlingensief brachte der schwer gezeichnete Maler, der lange nur noch mit Hilfe von Assistenten arbeiten konnte, das schleichende Nerven-Leiden sogar öffentlich auf die Bühne.
    NERVENKRANKHEIT ALS führt zur LÄHMUNG
    Bei der Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) schwindet die Muskelkraft der Patienten bis hin zur Lähmung. Die Bindeglieder zwischen Hirn und Muskeln - das erste und zweite Motorneuron - gehen durch einen gestörten Stoffwechsel langsam zu Grunde. Sie werden vom Enzym Superoxid-Dismutase zerstört, das nicht mehr richtig funktioniert.

    In Deutschland gibt es rund 6000 ALS-Patienten, mehr Männer als Frauen. 70 Prozent von ihnen sterben innerhalb von drei bis vier Jahren. Nur fünf Prozent leben länger als ein Jahrzehnt mit der Krankheit. Die Todesursache ist meist Atemstillstand. Im Alter von 50 bis 70 Jahren tritt die Krankheit am häufigsten auf. Über die Ursache von ALS ist noch wenig bekannt.

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