Lüpertz: „Ich habe versagt“

Der Maler und frühere Akademie-Rektor urteilt harsch über jüngere Künstler.

Düsseldorf. Malerfürst Markus Lüpertz setzt sich am Vorabend seines 70. Geburtstags mit Hölderlin auseinander, arbeitet derzeit an einer Skulptur. Ihn fasziniere dieser Künstler, der sich 30 Jahre in einen Turm zurückzog und so „unbegreifliche Worte“ schuf, die sich nicht nachvollziehen ließen. Hölderlin gehöre zu den Sinnbildern für Genies, zu denen er sich auch selbst zählt. Um sich herum aber sieht Lüpertz wenig Genialität. Der Maler und Bildhauer sieht um sich herum Enttäuschendes.

Es gehe nicht um das private Vergnügen in der Kunst, sondern um „ein göttliches Metier.“ Malerei sei der Dialog der Farben. Aber wen interessiere das schon. „Heute redet man doch nur über Geschichten oder übers Geld.“ Mehrere Tausend Studenten hat er als Professor und Rektor beeinflusst, einen ganz großen Namen sucht man unter seinen Schülern allerdings vergebens. Nun findet er für die jüngere Generation harsche Worte.

„Es ist falsch, immer nur etwas Neues erfinden zu wollen. Die Originalitätssucht der Avantgarde ist dummes Zeug, sie führt zu nichts. Es gibt in der Kunst nichts Neues, es gibt immer nur Pinsel und Farbe.“ Große Kunstwerke bauten auf anderen auf, gingen auf die Antike zurück, auf Maillol oder Lehmbruck, auf die farbige Plastik von Degas. Auch die eigene Arbeit tauge nur dann etwas, wenn andere Künstler darauf aufbauen können.

Lüpertz war 38 Jahre lang Professor in Karlsruhe und Düsseldorf, und er hat bis 2009 insgesamt 21 Jahre lang die Kunstakademie in Düsseldorf geführt. Nun geht der Pensionär mit den ehemaligen Schülern ins Gericht: „Die Resultate der jüngeren Generation sind verheerend, egal, ob sie aus Berlin, Düsseldorf oder Karlsruhe stammen. Sie sind Bastelkram, Emotionszeug, bloße Witze. Sie sind Versuche, irgendetwas Originelles zu erzeugen. Es gibt keine schöne Aktzeichnung und kein schön gemaltes Bild mehr, weil die Voraussetzungen dafür fehlen.“

Die Schuld daran gibt er nicht etwa anderen, sondern sich selbst. Er habe als Pädagoge und Rektor versagt: „Wir haben aufgrund unserer eigenen Erziehung empfindlich auf Regeln reagiert und diese Regellosigkeit fälschlicherweise als Ausbildung vermittelt. Das geht aber nicht. Ich habe mich auf den Freiheitswillen und das Interesse junger Künstler verlassen. Ich habe die Freiwilligkeit als Antrieb empfunden, das war ein Irrtum. Demokratie verwirrt den Antrieb. So furchtbar sich das anhört: Die jungen Leute brauchen Druck.“

Er hätte Voraussetzungen schaffen, Regeln und Leistungsprinzipien aufstellen, den Besuch von Ausstellungen und Vorlesungen zur Pflicht machen müssen. Sein Fazit: „Ich habe einen großen, einen gigantischen Fehler gemacht. Als Rektor nehme ich die Schuld auf mich.“

Am Ostermontag wird der Künstler 70 Jahre alt.

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