Kurhaus Kleve zeigt den Meister-Zeichner

400 Jahre vor Joseph Beuys gab schon einmal ein Niederrheiner in der internationalen Kunst den Ton an: Hendrick Goltzius.

Kurhaus Kleve zeigt den Meister-Zeichner
Foto: Museum Kurhaus/dpa

Kleve. Hendrick Goltzius war ein „wildt en lustigh kindt“. So vermerkte es sein Freund, der Maler-Biograf Karel van Mander. Aber eben weil er gar so wild und lustig war, verursachte er einen Unfall nach dem anderen: Mehrmals musste er aus dem Wasser gefischt werden, einmal stieß er sich versehentlich einen Stock durch die Nase, und schließlich verbrannte er sich in einer Pfanne mit kochendem Öl auch noch beide Hände. Die rechte konnte er danach nie mehr richtig bewegen. Dennoch wurde aus ihm der berühmteste Kupferstecher seiner Zeit.

Kurhaus Kleve zeigt den Meister-Zeichner
Foto: Museum Kurhaus/dpa

Zum 400. Todestag des Künstlers sind nun 240 Arbeiten von ihm im Museum Kurhaus in Kleve zu sehen. Denn der Niederrhein hat nicht nur Joseph Beuys (1921-1986), sondern eben auch Goltzius hervorgebracht: 1558 wurde er in Bracht geboren, heute ein Stadtteil von Brüggen im Kreis Viersen.

Was die Preise betrifft, war Goltzius der Gerhard Richter seiner Zeit: Schon in jungen Jahren kassierte er für zwei Porträtstiche den Jahreslohn eines Handwerkers. Er lieferte auf Bestellung nach Frankfurt, Venedig, Rom, Paris und London. Mitunter ging selbst Rudolf II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, leer aus: Einer seiner Agenten meldete ihm betrübt, dass Goltzius’ Werke „für kein Gold feil“ seien.

Dieser Ruhm war nur möglich, weil sich Goltzius eines neuen Massenmediums bediente: Über die Druckerpresse verbreitete er seine Bilder in Europa. Sehr modern mutet an, dass er bereits auf sein Copyright pochte: 1595 stellte ihm Kaiser Rudolf ein Privileg aus, das den Nachdruck seiner Arbeiten im Reich unter Strafe stellte.

Goltzius entwickelte völlig neuartige Arbeitstechniken. Eine effektvolle Mischung aus Ölgemälde und Bleistiftzeichnung — „Venus und Cupido mit zwei Satyrn“ — rief bei Kaiser Rudolf in Prag größte Verwunderung hervor. Er ließ alle seine Hofmaler antreten, um sich die von Goltzius angewandte Technik erklären zu lassen, aber niemand kannte sie. Auch die Plastizität seiner menschlichen Körper — heute würde man sagen: der 3-D-Effekt — war unerreicht.

Aufgewachsen war Goltzius am Niederrhein, zunächst in Bracht, dann in Duisburg. Mit etwa 16 Jahren begann er in Xanten eine Lehre bei dem Niederländer Dirck Volkertzoon Coornhert, der heute vor allem als Vater der modernen Freiheitsstrafe mit dem Ziel einer Resozialisierung bekannt ist. Er war es aber auch, der Goltzius in die Kunst des Kupferstechens einführte. Als Coornhert 1577 in die holländische Stadt Haarlem — Namensgeber des New Yorker Stadtviertels Harlem — umzog, begleitete Goltzius ihn. Unter dem Decknamen Hendrick van Bracht schiffte er sich 1590 in Amsterdam zu einer Italienreise ein. Die Kunstschätze Roms müssen ihn überwältigt haben, denn nach seiner Rückkehr in die Niederlande orientierte er sich nur noch an italienischen Vorbildern.

Die Ausstellung in Kleve zeigt neben Werken aus dem eigenen Bestand Leihgaben aus Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz. Die schweizerische Malerin und Gerhard-Richter-Schülerin Pia Fries, die sich seit 2010 mit Goltzius befasst, stellt den Stichen 40 eigene Werke gegenüber.

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