Kunstsammlung: Das Gewicht der Stahlnägel

Beuys, Cragg und Fritsch: Die Kunstsammlung zeigt Düsseldorfs Bildhauer von 1945 bis heute.

Düsseldorf. Tony Cragg, dem Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie, sei dank. Vor zwei Jahren schlug er der damals neuen Leiterin der Kunstsammlung NRW, Marion Ackermann, eine Kooperation vor. Sie solle die Bildhauer ins Bickfeld holen. Nun ist der Wunsch Wirklichkeit geworden.

Auf 3000 Quadratmetern Ausstellungsfläche werden 54 Künstler präsentiert, die als Lehrende oder Meisterschüler in der Kunstakademie gearbeitet haben. Die Schau hat als Gesamtüberblick Seltenheitswert, denn in den vergangenen 60 Jahren sind in Düsseldorf so gut wie alle Strömungen und Stile auf internationalem Niveau durchgespielt worden.

Die Schau wirkt wie eine Bewegung gegen eine zusammengeklaubte Bildwelt aus dem Internet. Cragg sagte am Montag: „Der Bildhauer spielt eine absolut wichtige Rolle in unserer Zeit. Er versucht, im Material etwas zu erleben.“ Auf Düsseldorf bezogen, meinte er aber auch: „Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte diese Stadt die Nase vorn. Seit den 60er Jahren wurde alles neu definiert. Man ging dabei radikal mit dem Material um.“

Noch nie wurde die Bildhauer-Szene so komprimiert und frisch gezeigt wie diesmal. Die Schau ist ein Who is who der internationalen Szene, angereichert mit rheinischem Humor. Alle Materialien sind möglich, Spaghetti (Beuys), Wurst (Roth), Asche (Ruthenbeck), Bronze (Cragg) und Watte (Gostner). Hohe und niedrige Kunst liegen dicht beieinander. Dieter Roths Schokohasen lassen auch grüßen.

Fritz Schwegler, der Poet, verwandelt die Dinge des Alltags. Seine Schülerin Katharina Fritsch, heute selbst Professorin, widmet ihm ihr erstes Werk: ein schwarz-weißes Spielauto von 1979. Die Malerbildhauer Immendorff, Lüpertz und Penck schrecken nicht davor zurück, ihre Bronzen anzumalen.

Dazwischen blinken geisterhaft Lichtstelen von Heinz Mack und digital gesteuerte Lichtlampen von Otto Piene. Günther Uecker protestiert mit Nägeln, und Christian Megert schickt Besucher in seinen Spiegelraum, auf dass sie ein neues Raumgefühl bekommen.

Die Werke sind chronologisch gestellt, beginnend mit Ewald Matarés klassischen Holzfiguren und Erwin Heerichs maßvollen Kuben. Die letzten Arbeiten im Obergeschoss sind der Jugend gewidmet. Dabei fällt der Künstlerraum von Andreas Schmitten auf.

Der Schüler von Georg Herold inszeniert eine auratisch aufgeladene Kapelle. Und sein Lehrer höhnt im Kontrast dazu, indem er einen Ofen aus Bimsstein mit dem Titel versieht: „Im Arsch ist’s finster“. Nur das Werk von Norbert Kricke, Akademierektor von 1972 bis 1981, hätte einen eigenen Raum verdient, denn nie wurde die Skulptur energetischer begriffen als bei ihm.

Der Anfang ist gemacht. Die Kunstsammlung könnte sich nun endgültig aus den Fesseln eines reinen Bildermuseums befreien und sich auch mit Käufen der Skulptur zuwenden.

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