„Überraschend bunt“: „Der Schrei“ in New York

New York (dpa) - Jetzt hängt es plötzlich einfach an der Wand, als wäre nichts gewesen. Für fast 120 Millionen Dollar (rund 90 Millionen Euro) war „Der Schrei“ von Edvard Munch (1863-1944) im Mai versteigert worden.

Die Rekordsumme setzte neue Maßstäbe auf dem Kunstmarkt.

Und der bislang immer noch unbekannte Käufer ist anscheinend nicht nur sehr reich, sondern dazu auch noch sehr spendabel: Er hat sich das frisch erworbene Meisterwerk nicht etwa über sein Bett gehängt, sondern erstmal für rund ein halbes Jahr dem New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) zur Verfügung gestellt. Unter großem Publikumsandrang wurde die Schau am Mittwoch eröffnet.

„Es waren sehr angenehme Gespräche mit dem Käufer“, sagte die Chefkuratorin für Gemälde und Skulpturen des MoMA, Ann Temkin. „Es war ihm wirklich wichtig, dass viele Menschen das Bild sehen können.“ New Yorks derzeit bestgehütetes Geheimnis um die Identität des mysteriösen Munch-Fans löste aber natürlich auch sie nicht. Medienberichten zufolge könnte es sich um den New Yorker Finanzmanager Leon Black handeln, der im Aufsichtsrat des MoMA sitzt. Bestätigt haben das aber bislang weder Black noch das MoMA.

„Der Schrei“ macht sich jedenfalls gut im MoMA, auf grauer Wand umgeben von elf anderen Munch-Werken. Im Nachbarraum links prangen die tanzenden Frauen von Munchs Zeitgenossen Henry Matisse, gegenüber ein farbenprächtiger Vincent van Gogh und rechts lugen die „Demoiselles d'Avignon“ von Pablo Picasso um die Ecke, eines der wichtigsten Werke der Kunstgeschichte. „Wir wollten das Bild in einen Kontext setzen“, sagte Temkin. „Munch war als Künstler niemals isoliert.“

Mit einer Mischung aus Wiedersehensfreude und überraschtem Staunen reagierten die ersten Besucher, die schon vor der Öffnung des Museums angestanden hatten und direkt die fünfte Etage ansteuerten, auf das vielfach im Internet und in Zeitungen gezeigte Werk. „Der Schrei“ gilt nach der „Mona Lisa“ als bekanntestes Bild der Welt. Es zeigt eine Person, die den Mund offen hat und sich die Hände auf die Ohren hält und wurde damit weltbekannt als Symbolbild für Einsamkeit und Ängste des Menschen.

Das Pastell-Werk - von dem es insgesamt vier Versionen gibt, drei davon in Norwegen - ist auffallend bunt, betont noch durch den schlichten Holzrahmen. „Auch ich und alle, die die Bilder hier aufgehangen haben, waren auf den ersten Blick überrascht, wie bunt es wirklich ist“, sagte Temkin. „Dieses Werk hier zu haben, bedeutet eine enorme Chance für den normalen Menschen, den Unterschied zwischen einem Bild auf einer Postkarte oder auf dem Computer und dem Original zu verstehen.“ Geschützt wird die einzige in Privatbesitz befindliche Version des „Schreis“ von einem Plexiglas-Kasten. Ansonsten verlasse sich das Museum auf die normalen Sicherheitsvorkehrungen, sagte Temkin. „Wir haben immer Massen von Menschen hier und unbezahlbare Kunstwerke. Das ist unser Job.“

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