Rosemarie Trockel räumt mit Mythen auf

Leverkusen (dpa) - Rosemarie Trockel ist eine der weltweit wichtigsten Künstlerinnen. Mit Strickbildern wurde sie berühmt. Dabei hat sie noch nie Wolle berührt. In einer Schau in Leverkusen zeigt Trockel, wie vielseitig und humorvoll ihr Werk ist.

Rosemarie Trockel ist nicht nur äußerst scheu und verschwiegen, auch der Aufbau einer Ausstellung mit der weltweit gefragten Künstlerin ist geheimnisvoll. Im barocken Lustschloss Morsbroich in Leverkusen hat sich die 59-jährige Trockel, die seit Jahren zu den Top 5 der internationalen Kunstszene zählt, mit der Nachwuchskünstlerin Paloma Varga Weisz zusammengetan. Die vielfach ausgezeichnete Kunstprofessorin und das aufstrebende Nachwuchstalent laden zu einem humorvoll-ironischen Rundgang durch die Welt der Keramik, Zeichnungen und Installationen ein.

Der Aufbau der Schau „Maison de Plaisance“ (Lustschloss), die bis zum 30. September zu sehen ist, wurde für Kuratorin Stefanie Kreuzer allerdings zu einer Nervenprobe. Denn wie die Ausstellung letztlich aussehen würde, blieb bis kurz vor Eröffnung ein Geheimnis. „Wir werden täglich mit neuen Dingen überrascht“, sagt Kreuzer. Immer neue Werke brachte Trockel, stellte sie um, baute sie auf und wieder ab.

Eine Gemeinschaftsausstellung zweier Künstlerinnen, die sich sogar einzelne Räume teilen, dürfte - so meint man - schwierig sein. Man denkt an Konkurrenz und künstlerische Unverträglichkeit. Trockel und Varga Weisz verstehen sich aber prächtig. Seit zehn Jahren sind sie befreundet. „Palm“ nennt Trockel ihre Kollegin, „Rosi“ sagt Varga Weisz, und beide begegnen sich auf Augenhöhe.

Trockels Werk ist nicht auf einen Nenner zu bringen. Auf der documenta in Kassel ist sie derzeit mit einem Teepavillon vertreten, berühmt wurde 1997 ihr Gemeinschaftsbeitrag mit Carsten Höller, „Haus für Schweine und Menschen“. Morsbroich kennt Trockel seit vielen Jahren, schließlich ist sie in Leverkusen aufgewachsen. Heimatgefühle verbindet sie allerdings nicht mit der Stadt.

Ein zentrales Thema hat die Gemeinschaftsausstellung nicht, und doch korrespondieren die so unterschiedlichen Arbeiten der beiden Frauen bestens. Bei Varga Weisz spielt Familie und Identität eine Rolle. Ganz aus dunkelgrau-grün glasierter Keramik ist eine Liege mit dem Abbild ihrer aufgebahrt wirkenden Mutter. Ihren Vater hat sie in Keramikbüsten abgebildet. „Das heißt aber nicht, dass ich mich an meinem Vater oder meiner Mutter abarbeite“, betont Varga Weisz. Bizarr wirkt gleich zu Anfang ein riesiges Weinfass, aus dem zwei weiße Beine ragen.

Ein Bein stellt auch Trockel aus, und zwar in einem goldverzierten Glasschrank: Es ist dunkelgrau mit löchrigem Netzstrumpf, der Fuß steckt in einem abgetragenen weißen Flip Flop.

Trockel spielt mit dem barocken Schlossambiente. Ihre Arbeiten sind ironisch-mehrdeutig, ob es eine mit weißen Gymnastikreifen behängte Wand ist, die sie „Still life“ (Stillleben) nennt, oder Keramikspiegel, deren korallenähnliche Rahmen sich gefährlich spitz dem Betrachter entgegentürmen. In einem steril bis zu den Decken weiß gekachelten Raum hängt eine Plastikpalme verkehrt herum von der Decke, und in einem weißen Käfig zwitschern ausgestopfte Vögel neben einer Glocke, die unter einer Käseglocke liegt.

Lange wurde Trockel als „Strickkünstlerin“ betitelt wegen ihrer zahlreichen Wollbilder. In Morsbroich verrät sie: „Ich habe noch nie Hand an Wolle gelegt.“ Ihre Strickbilder lasse sie maschinell und von Assistenten herstellen. Zwei Wollbilder hängen auch in der aktuellen Ausstellung. Die Schau widerlegt mit ihrer Vielschichtigkeit die oft bemühte These, Trockels Werk lasse sich auf Feminismus oder Gesellschaftskritik reduzieren.

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