Robert Morris: Ein Stiller unter den Großen

Gespräch: Der US-Künstler Robert Morris spricht über seine minimalistischen Skulpturen und die Sehnsucht seiner Kindheit.

Mönchengladbach. Wenn er spricht, klingt seine Stimme ein bisschen so, als wäre er heiser. Doch seine Art zu sprechen hat viel damit zu tun, dass Robert Morris kein Mann lauter Worte ist. Der 79-jährige US-Künstler stellt sich nicht gerne in den Vordergrund. So minimalistisch wie seine Kunst ist sein öffentliches Auftreten. Interviews gibt er so gut wie nie, fotografieren lässt er sich kaum. Seit gestern hält er sich wegen seiner Ausstellung und für einen Vortrag in Mönchengladbach auf - und einige Antworten haben wir doch von ihm bekommen.

Morris ist einer der bedeutendsten Vertreter des Minimalismus. In den 60er Jahren schuf er mit seinen Objekten und Texten neue Kriterien für die Betrachtung von bildender Kunst. So stellte er etwa in eines seiner Bodenkunstwerke einen riesigen Spiegel - da kam kein Besucher an der Selbstbespieglung vorbei.

Morris ist ein Radikaler unter den ohnehin nicht leicht zugänglichen Minimalisten. Er gehört zu den Künstlern, die durch ihre Arbeiten erst erfahren wollen, was Kunst ist. Muss ein Werk ästhetisch aufgeladen sein, muss es einmalig sein? Oder ersetzt die Idee das Werk? Antworten gibt der große Kunst-Theoretiker nicht. Ihm genügt die pure Fragestellung. In Gladbach hat er schon früher einen Raum gestaltet, indem er ihn mit alten Stofffetzen füllte; Titel: Textilabfälle.

Im Gespräch denkt er über die Frage lange nach, wie er Deutschland künstlerisch darstellen könnte. Schließlich lacht er: "Das ist schwierig, es übersteigt mein Können, denn das kann ich nicht minimalistisch darstellen, das müsste groß werden."

Oft wird Morris vorgeworfen, dass seine Werke keine erkennbare Handschrift haben. "Ich weiß", sagt er. "Und genau das ist meine Handschrift. Mir geht es nicht darum, dass alle sofort sehen, dass ein Werk von mir ist." Vielleicht ist auch das ein Grund, warum er - verglichen mit populären Kollegen wie Donald Judd oder Carl Andre - bis heute für viele ein Unbekannter ist. Das kümmert ihn nicht, es verschafft ihm vielmehr "die absolute Freiheit".

"Die Freude, die er empfindet, wenn er seine Werke nach Jahren wiedersieht, ist beeindruckend", sagt die Leiterin des Museums Abteiberg, Susanne Titz, die Morris nach Mönchengladbach geholt hat. "Für mich ist Morris der Künstler, der sich mehr als jeder andere damit auseinander setzt, welche Beziehungen zwischen den Werken und dem Betrachter der Kunst entstehen."

Als sie den US-Künstler am Freitag durch das Museum führte, erzählte er von seiner Kindheit im Mittleren Westen der USA, in Kansas City. "Das Gefühl, an das ich mich besonders erinnere, ist das der Sehnsucht", sagt er. Die stieg immer in ihm auf, wenn er Züge in der Nähe des elterlichen Hauses vorbeirauschen hörte.

"Wenn ich an diese Tage als Jugendlicher denke, mischt sich in die Nostalgie auch die Spur eines Kälteschauers." Warum genau, das könne er nicht sagen. Es gebe aber ein Bild, das ihn seitdem permanent verfolge: "Es ist die unscharfe Silhouette eines Schattens über meinem Körper." Auch dafür möchte er die konkrete Bedeutung gar nicht wissen.

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