Nachts im Museum – und allein unter Rentieren

Kultur: In Berlin können zahlende Gäste in einer Kunstausstellung schlafen – inmitten von Tieren. Eine surreale Erfahrung.

Berlin. Unten knabbert ein Rentier am Birkenstamm. Die Kanarienvögel trällern so laut, als wären sie in ihren Volieren an einen Verstärker angeschlossen. Es riecht nach Holzhandlung. Kühlschränke surren. 0.11 Uhr. Gerade hat Marcus Knobloch, der Gästebetreuer, das Licht ausgemacht. Probeschlafen in der großen Halle im Hamburger Bahnhof, dem Berliner Museum für Gegenwartskunst.

In einer Installation des Künstlers Carsten Höller kann man für 1000 Euro übernachten. Ein oder zwei Gäste haben dann die Ausstellung für sich allein und dürfen durch das geschlossene Museum streifen. Fast alle 80 Nächte sind schon ausgebucht.

Beim Einchecken gibt es eine Taschenlampe und ein Walkie-Talkie. "Es ist darauf zu achten, die Tiere nicht unnötig zu erschrecken", steht in der Hausordnung. "Telefonieren oder Musik hören ist nicht gestattet." Wer würde in dieser Szenerie, die Alice im Wunderland entsprungen scheint, darauf kommen?

Ein Steg führt durch ein Tiergehege zu dem runden Doppelbett in vier Metern Höhe. Unten tummeln sich zwölf Rentiere, 24 Kanarienvögel, acht Mäuse und zwei sehr träge Fliegen. Hinten im Gehege steht eine meterhohe Skulptur aus nachgebauten Fliegenpilzen. Die echten liegen in verriegelten Kühlschränken.

Die Gäste dürfen machen, was sie wollen, so lange sie sich an die Hausordnung halten. Frühstück wird auf der Besuchertribüne serviert. Das Museum hat sogar extra ein Badezimmer eingebaut.

Die Ausstellung Höllers, der mit seinen Werken bereits bei der Documenta in Kassel und der Biennale in Venedig vertreten war, ist nur in Berlin zu sehen. Der Sinn ist offen. Die Auswertung liegt ganz beim Betrachter.

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