Landschaften im Farbenrausch

Die Van-Gogh-Ausstellung in Basel ist das Kunstereignis des Jahres. Sie zeigt das kreative Genie als Wegbereiter der Moderne.

Basel. Sie ist nicht nur das Highlight in der Kulturhauptstadt 2009, Basel. Die Schau mit 70 Landschaftsgemälden von Vincent van Gogh ist, wie angekündigt, schlicht das Kunstereignis des Jahres. Das Thema sei, so Museumsdirektor Bürgi, die Idee des Schweizer Sammlers Walter Feilchenfeldt gewesen und weltweit die erste Schau hierzu. Mag der Besucher sich dennoch gefragt haben, ob nach den überzeugenden Schauen in Wien und in Amsterdam nun auch diese noch nötig sei, fällt es ihm alsbald wie Schuppen von den Augen.

Denn nirgendwo wird das Getriebensein dieses Künstlers und die Zwangsläufigkeit seines Wollens so überdeutlich wie auf dem Weg, dem er sich bei der Gestaltung der Natur unterwarf. Es ist das große Verdienst der Kuratoren und ihres internationalen Beirates, das Augenmerk den Hauptwerken aus wesentlichen Stationen seiner Arbeit gewidmet zu haben.

Dazu zählen das flandrische Nuenen, die rührige Kunstkapitale Paris sowie die farbsatt leuchtenden Provence-Landschaften von Arles, Saint-Remy und Auvers-sur-Oise. Auf diesem Weg wird man zugleich Zeuge von van Goghs unerbittlicher, radikaler Suche nach der eigenen Formensprache. In nur sieben Jahren führt er die Malerei aus dem 19. Jahrhundert in die Moderne. "Ich pflüge auf meinen Bildern wie die Bauern auf ihren Äckern", sagt er. Nein, ein Salonvergnügen war diese Kunst nicht mehr.

Eine depressiv niedergedrückte Atmosphäre und ungelenke Formen kennzeichnen die Gemälde mit bäuerlichen Motiven der Nuener Zeit: der traurige Pfarrgarten, braunschwarze Felder, brackige Kanalgewässer, ungestalte Menschen bei mühsamer Feldarbeit, keine blühenden Pflanzen. Schlagartig, als hätte ein Anderer den Pinsel übernommen, ändert sich die Farbtonart in Paris. Knallbunt malt er das "Restaurant in Asnières (1887), selbst Fabrikdächer leuchten rot. Van Gogh beginnt Motiv-Serien, die erste gilt blühenden Mandel-, Pfirsich- und Kirschbäumen. Die Zeit des Farbrausches, der leuchtenden Explosionen und Experimente beginnt.

Und er wirft die Manierismen der Impressionisten radikal über Bord. Statt ihres tänzelnden Getüpfels haut der Bauernbursche van Gogh nun heftig breite, dicke Ölstriche auf die Leinwand. So fließen fettgelbe Weizenfelder zusammen - vielleicht die ersten Farbfelder der Kunstgeschichte. Wie eine Sensation wirkt seine Entdeckung des leuchtenden provenzalischen Azurs: So in "Angler mit Booten an der Pont de Clichy" (1887), die ausnahmsweise statt zu arbeiten genießen dürfen, so im "Blick auf Arles mit Iris" (1888) oder endlich im wahrlich paradiesisch betörenden "Garten mit Pfad" (1888). Er kombiniert Komplementärfarben wie Blau und Grün, um dann die gesamte Palette auf dem Gemälde aufzumischen.

Geradezu berauschend am Ende seine Hinwendung zu himmelwärts strebenden Bäumen, den Zypressen, die er grünschwarz flammen lässt, oder einer sich tief neigenden, dunkelgrünen üppigen Trauerweide. Den geheimnisvollen Olivenhainen ist in Basel ein eigener Raum gewidmet. Auch dort ist, wie in Wien, die "Zypresse" aus der Armand-Hammer-Collection in Los Angeles zu sehen, desgleichen der Irrenhausgarten, gemalt mit dem Blick aus van Goghs Zelle. In einem seiner letzten Gemälde, dem farbstrotzenden "Garten von Daubigny" (1890), streicht eine faule blaue Katze mit gerecktem Schwanz durchs Gras. Hier lebt uns die Natur das "laissez-faire" vor. Van Gogh selbst war dazu unfähig. Er starb, nur 37-jährig, sechs Tage nach einem auf sich selbst abgegebenen Pistolenschuss. Sein Ziel war es gewesen, vom bloßen Abbild zum geistigen Ausdruck, von der physischen zur metaphysischen Gestalt zu gelangen. Eine Revolution der Kunst. Nichts kann erregender sein.

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