Kunsthalle Recklinghausen: Wo die Wasser fluten und der Geist schwebt - Magdalena Jetelová stellt aus

Magdalena Jetelová verwandelt die Kunsthalle Recklinghausen anlässlich der Ruhrfestspiele in einen „neuen Raum“. Das Gebäude, ein ehemaliger Bunker, ersteht als bildhauerisches Gesamtkunstwerk mit neuem geistigem Leben.

<strong>Recklinghausen. Sie ist eine der wenigen Künstlerinnen, die diesen seit jeher ungemütlichen Ort in seiner Wahrheit und ursprünglichen Bestimmung beim Wort genommen und ihn geadelt hat: Magdalena Jetelová, geboren 1946 in Tschechien, lange Jahre Professorin an der Düsseldorfer Kunstakademie und jetzt an der Akademie in München, bestreitet in diesem Jahr die Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen. Und sie verleiht der Kunsthalle, erbaut während des Zweiten Weltkrieges als Luftschutzbunker beim nahe gelegenen Bahnhof, eine neue Würde. Das Erdgeschoss hat sie mit 40 000 Litern Wasser zunächst gespenstisch wirkend "geflutet". Über die Wasser schweben im abgedunkelten Raum indessen an einer Wand die Geister einer Handschrift, die den wunderbaren Text von John Cages "Vortrag über nichts" nachschreiben, in Neonschrift, die zitternd über die Wellen gleitet. Wer sich vor der Finsternis fürchtet, dem sagt sie: "Wir müssen uns nicht ängstigen vor dem, was gewesen ist, sondern in die Zukunft sehen." Dort wohl liegt "Der neue Raum", wie die Bildhauerin ihre Schau nennt. Der Besucher steigt von Etage zu Etage gleichsam in eine höhere Ebene seiner Existenz, beginnend im Keller mit den Toiletten, dem "intimsten" und zivilisatorischen Raum, wo elektronisch verstärkte Tropfgeräusche klicken, über das Wasser-Erdreich und die Treppen hoch zum Raum der "inszenierten Fotografien". Es sind Schwarzweiß-Aufnahmen Islands, von Londoner Industrieanlagen und des Atlantikwalls mit den nach Jahrzehnten allmählich verfallenden Bunkerklötzen aus dem Krieg. Wie messerscharfe Blitze werden sie von gleißenden Laserschnitten zerteilt und zerklüftet. Ist das Thema hier das Aufeinanderprallen von Natur und menschlichem, industriellem Schaffen, so kommt der Besucher in der letzten Ebene gewissermaßen zu sich selbst und seiner geistigen Existenz. Bereits auf den letzten Treppenstufen begegnet ihm der erste Teil des Satzes "Die Rundung der Erde bringt uns zu uns selbst" des französischen Philosophen Paul Virilio, der 1976 im Centre Goerges Pompidou eine Schau zum Thema "Bunker-Archäologie" zeigte. Rotierendes UV-Licht lässt die auf die Wände projizierten Lettern aufscheinen - indes nur dann, wenn man sich dem Licht folgend langsam um seine eigene Achse dreht.

Das Ziel ist erreicht und der Bunker als bildhauerisches Gesamtkunstwerk zu neuem geistigem Leben erstanden. "Der neue Raum" ist mit einem einzigen Wurf geschaffen, als Inbild von Werden, Leben und Vergehen. In diesem Raum, das ist die Vision, sollen wir uns erkennen.

Bis 22. 7., di-so/feiert. 10-18 Uhr

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