Kunsthalle Düsseldorf: Zum Fressen schöne Eat Art

Ausstellung: Die Kunsthalle Düsseldorf präsentiert die Kunst des Lebens und der Vergänglichkeit.

Düsseldorf. Eat Art hat nichts mit der heutigen Gourmet-Küche zu tun, "Ess-Kunst" war als Protest im Zuge der 1968er Jahre gemeint. Die ewigen Werte sollten ersetzt, Gemälde durch Lebkuchen mit Zuckerguss, Bronzen durch Herings-Gräten oder atmende Brote ersetzt werden. Die Vergänglichkeit wurde zum elementaren Bestandteil der Kunst. In der Kunsthalle Düsseldorf wird der Bogen von den ironischen Anfängen bis in die Gegenwart geschlagen.

Gründer, Erfinder, Ideenproduzent der Eat Art war Daniel Spoerri, der heute Abend zur Vernissage erwartet wird. Dieses Universalgenie, Tänzer, Mime, Regisseur deutschsprachiger Erstaufführungen, landete 1968 mit wenig Barem in Düsseldorf, ließ sich die Geheimnummer von Kunstmäzenin Gabriele Henkel geben und eröffnete mit deren Hilfe "Spoerri’s Restaurant" am Burgplatz, im Herzen der Düsseldorfer Altstadt.

Die Reste einer Mahlzeit pflegte er auf der Tischplatte zu fixieren, um 90Grad zu kippen und in unalltägliche Tafelbilder zu verwandeln, die man an die Wand oder als "Fallenbilder" unter die Decke hängen konnte. Heute sind die Platten mit den Speiseresten, die auf Tellern und Tassen angetrocknet sind, beliebte Museumsgüter.

Zwei Jahre später gründete er eine Eat-Art-Galerie. Dort entstand all das, was die Düsseldorfer Szene berühmt machte: Joseph Beuys kredenzte "1a gebratene Fischgräten" als "Freitagsobjekt". Dieter Roth schuf Hasen aus Köttel und Stroh. André Thomkins hängte Palindrome (Buchstabenabfolgen, die sich vor und zurück lesen lassen) an die Wand des Restaurants. Günther Weseler bedeckte Brote mit Fell und schuf mit Hilfe kleiner Elektromotoren "Bankette mit Atemobjekten". Marcel Broodthaers erfand sein armes Reich der Phantasie. Heute werden derlei Objekte der 70er Jahre wie Relikte verehrt und in Vitrinen bewahrt.

Die aktuelle Szene nimmt sich ihr Vorbild eher in Adam und Eva, die die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis nahmen und respektlos hineinbissen. Ob sie dies aus Hunger oder Gefräßigkeit taten, darüber gibt die Bibel keine Auskunft. Aber eines steht fest: Die Akteure der Gegenwart lassen die Zuschauer kosten. Rirkrit Tiravanija kredenzt heute Abend Gegrilltes, wohlwissend, dass ein gemeinsames Essen die Stimmung hebt.

Zeger Reyers spielt den Koch, der aus seiner perfekt konstruierten Küche Köstliches anbietet. Gegen 21Uhr beginnt sein Spektakel, dann dreht sich die Küche um ihre eigene Achse und wird zum Küchenmixer, der Speisen, Gewürze, Kräuter und Geräte, Flüssiges und Festes durcheinander wirbelt. Ein Sinnbild für das tagtägliche Geschehen im Magen, ein Zeichen für Veränderung und Verfall.

Im Foyer hat Philip Ross ein Tee-Haus aus selbst gezüchteten Pilzen in Kastenform gebaut. Daneben liegt eine Säge. Wen es dürstet, der darf sich eine Pilz- Scheibe abschneiden, daraus Tee kochen und den Heiltrunk zu sich nehmen. Am Ende der Schau könnte das Iglu verzehrt sein.

Natürlich kommt auch Alfred Biolek ins Bild. Dafür hat Christian Jankowski ein Kochstudio installiert. Thomas Rentmeister hat wie ein Sämann sieben Tonnen Diamantzucker ausgestreut, nun liegt da ein schöner, weißer Zuckerberg wie hingegossen. Ausgangspunkt war Rentmeisters Erlebnis, eine geplatzte Tüte Zucker im Einkaufswagen zu transportieren. Sein Wagen in der Kunsthalle ist von dem fließenden Material fast verschüttet, er scheint am Überfluss erstickt zu sein.

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